Predigt über Jesaja 2, 1 – 5 am 8. Sonntag nach Trinitatis 2025

„Auf und lasst uns im Lichte Gottes gehen!“ Mit diesem Auf- und Ausruf des Propheten Jesaja endet unser heutiger Predigttext.

Dazu passend der Wochenspruch aus dem Epheserbrief: „Wandelt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.“

Wir sind Kinder des Lichts. Was bedeutet das?

Doch eins nach dem Anderen!

Bleiben wir zunächst bei unserem Predigttext: „Auf, lasst uns im Licht Gottes gehen!“

Ich sehe den Propheten Jesaja voran gehen. Er hat eine deutliche, eine unmissverständliche Botschaft: „Gott wird Recht sprechen zwischen den fremden Völkern…“ (V.4) Mit dem Ergebnis: „Schwerter zu Pflugscharen, Lanzen zu Winzermessern!“ Ich sehe ihn beflügelt von dem „Wort“, das „Jesaja, Sohn des Amoz … schaute“ (V. 1) Er ist so versunken in seine Botschaft, die er in Gottes Namen auszurichten hat, dass er gar nicht gemerkt hat: Er steht jetzt ziemlich alleine da. Wo sind seine „follower„? Die Massen sind wo anders.

„Ich mache Euch wieder groß! Die Fremden haben hier nichts verloren! Amerika first!“ Eine große Mehrheit des amerikanischen Volkes hat sich für einen Führer entschieden, der rücksichtslosen Größenwahn repräsentiert. Auch in Deutschland hat Rücksichtslosigkeit und Größenwahn gepaart mit emotionaler Dummheit Konjunktur. „Deutschland den Deutschen!“ Emotionale Dummheit bedeutet, nicht (mit-)denken zu können, wie destruktiv für uns alle (Menschen, Tiere, Pflanzen) diese Art von nationalem Egozentrismus ist.

Stimmt: Auch in unserem Predigttext gibt es Nationalismus: „Der Berg des Hauses Gottes“ als „Gipfel der Berge“ wird sich „erheben über die Hügel“ (V. 2). Und dieser Berg ist natürlich „Zion“, der Tempelberg in Jerusalem – und nicht Mekka, oder Rom oder Byzanz. Und natürlich ist es das „Haus der Gottheit Jakobs“ – und nicht der Gottheit irgendeines „fremden“ Volkes. Soweit der „nationale“ Rahmen. Aber innerhalb dieses Rahmens soll nur mehr geschehen, was dem Weltfrieden dient: „Niemand wird mehr das Kriegshandwerk lernen.“

Der Form nach ist dies eine göttliche Verheißung. Dem Inhalt nach ist es eine Utopie. Utopie heißt: „Ohne Ort.“ Die Idee eines Weltfriedens auf der Grundlage göttlicher Gerechtigkeit hat „keinen Ort“. Sie ist „weltfremd“. Deshalb wird sie sich unter den Bedingungen dieser unserer Welt sich nicht realisieren lassen. Ähnlich weltfremd wie die Ideen jenes Mannes aus Nazareth, der die Armen selig preist, dessen Reich nicht von dieser Welt ist, mit dem sich „kein Staat machen lässt“ (K. Barth). Der von sich selber sagt: „Füchse haben Höhlen und die Vögel der Lüfte haben Nester. Der Mensch hat keinen Platz, wo er seinen Kopf hinlegen kann.“ (Matthäus 8,20) Oder: Sein Platz ist der U-Topos, sein Platz ist der „Kein-Platz“, die Utopie.

Und wir, die wir uns Christen nennen? Was ist unser Platz?

„Ihr seid das Salz der Erde!“ „Ihr seid das Licht der Welt!“ heißt es im heutigen Evangelium. Und nicht: Ihr sollt Salz oder Licht werden. Auch nicht: Ich mache Euch zum Salz oder zum Licht. Nein: Ihr seid es schon! Bitte lebt auch dementsprechend! Lebt dem, was Ihr seid, entsprechend; lebt Eurer Identität entsprechend.

Man könnte antworten: Aber das Salz kann doch gar nichts anderes als salzen. Und das Licht kann auch nichts anderes als leuchten. Stimmt.

ABER: Wir Menschen können verhindern, dass Salz salzig bleibt, wir Menschen können verhindern, dass Licht leuchtet. Wie geht das?

Das geht ganz einfach durch Ignoranz. Ignoranz drückt sich in Sätzen aus, wie:

Das will ich gar nicht hören!

Darüber will ich nicht nachdenken!

Simples Beispiel:

Dass wir schon wieder 6 Wochen jenseits der Sommersonnenwende sind. Dass schon wieder spürbar die Tage kürzer und die Nächte länger werden.

Das will ich gar nicht hören…

Wir Menschen lieben es, in unseren Komfortzonen zu bleiben. Sie sind so wunderbar vertraut. Neues an sich ran zu lassen verunsichert.

Und im Erfinden von Methoden, Neues nicht an sich ran zu lassen, ja es erst gar nicht entstehen zu lassen, sind wir Menschen sehr kreativ.

Leider, leider auch wir Christen. Durch Denkverbote, Diskussionsverbote, durch die Nötigung, etwas Bestimmtes denken zu müssen, schützen wir unsere vermeintliche Sicherheit. Erhalten wir uns unsere Gefängnisse.

Sie haben den großen Vorteil der Klarheit und Eindeutigkeit. Man weiß, was erwünscht und was verboten ist. Sie – (unsere selbst gebauten) Gefängnisse – haben den großen Nachteil des Verzichts auf Vielheit und Verschiedenheit. „Demokratie ist, wo gestritten wird“, ist ein bekanntes Statement von Helmut Schmidt – nicht um des Streitens willen, sondern um der Wahrheit willen.

Ein paar Beispiele, mit denen ich versuche zu veranschaulichen, was ich meine:

Erstens: „Er / Gott soll dein eigen sein, du sollst sein genießen, und alles was er hat, im Himmel und auf Erden, das soll dein sein. Wer nun solches höret, doch keine Freude davon hat oder diesen Heiland lässt fahren und suchet einen anderen, der ist wert, dass ihn der Donner neun Ellen unter die Erde schlage…“

(Aus einer Predigt Martin Luthers zum ersten Weihnachtstag)

Zweitens: Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Wir, im Westen Europas, bezeichnen den Krieg gegen die Ukraine als russischen Angriffskrieg. In Russland selbst wird er als „Friedensoperation“ bezeichnet. Und Putin ist der Meinung, wir (also Russland) hole sich nur zurück, was ihm ohnehin gehört.

Drittens:

Israel.

Wir sehen und benennen die Grausamkeit, mit der Israels Regierung mit dem palästinensischen Volk und die israelischen Siedler mit den Palästinensern umgeht.

Wenn ich hingegen Texte aus dem Alten Testament ernst nehme, geht es gar nicht um Grausamkeiten, sondern um Gottes Willen:

„Ich gebe Menschen an deiner Stelle und Völker für dein Leben“, heißt es bei Deuterojesaja. Etwas freier übersetzt heißt das: „Ich, Gott, opfere für dein Leben Menschen und Völker…“ ( Es war die Lesung vor zwei Wochen; sie wurde kommentarlos vorgetragen in dieser Kirche.)

Wer diese Gedanken auf sich wirken lässt, dem bleibt nichts anderes übrig, als die Beschaulichkeit seiner Rückzugsorte (Stichwort: „Komfortzone“) zu verlassen. Sie oder er wird dadurch notgedrungen hineingezogen in die Turbulenzen und Widersprüche dieser Welt. Im Lichte Gottes gehen aber heißt für mich zuallererst, diese Widersprüche und Ambivalenzen zu ertragen. Um dies zu können, muss man sich seine eigene Bedürftigkeit klar gemacht haben.

„Im Namen unseres Gottes bitte ich Sie (sc. Mr. Trump), Erbarmen mit den Menschen in unserem Land zu haben, die jetzt Angst haben.“ So predigte die Bischöfin Budde bei der Amtseinführung von D. Trump. Seine Reaktion war: „Ich erwarte ein Entschuldigung!“ Und: Frau Budde sei eine „Trump-Hasserin“. Es ist die klassische Antwort des Narzissten. Jede Kritik an sich abprallen lassen und den Kritiker zu beschimpfen und/oder versuchen, ihn kalt zu stellen.

Um dies predigen zu können, was Frau Budde in beeindruckender Weise konnte, bedarf es einer Freiheit und Unabhängigkeit gegenüber dem Anderen. Genauer: Ich muss frei davon sein, Anerkennung oder gar Liebe vom Anderen zu erwarten. Seien es Mächtige oder auch Ohnmächtige. Jesus hat weder den Mächtigen noch den Ohnmächtigen nach dem Mund geredet. Er hat Gott, den er liebevoll „Abba“ (Papa) nannte, „nach dem Mund geredet“. So sehr, dass er zu Gottes Mund, zu seinem „Wort“ wurde, wie es im Johannesevangelium heißt: „Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott…“ (Johannes 1,1) Er war so sehr bei Gott, dass er sein eigener („eingeborener“) Sohn genannt worden ist.

Und der Inhalt seiner Predigt war: „Das Reich Gottes“, das Reich seines Vaters, ist nahe!

Wenn wir als Christen Salz, wenn wir Licht sein wollen, wenn wir im Licht Gottes gehen wollen, dürfen wir uns nicht davon abhängig machen, ob und wie unsere Botschaft in dieser Welt ankommt. Wir schwächen uns und unsere Botschaft, wenn wir meinen, wir müssten den oder die Anderen erreichen.

Das Salz würzt aus sich heraus, das Licht leuchtet aus sich heraus.

Liebe Gemeinde!

Vielleicht denken Sie sich jetzt – Mein Gott, was der da predigt! Das kann ich nicht! Und das will ich auch nicht! Ja, wo kämen wir denn da hin, wenn ich damit aufhörte, etwas zu tun, um dafür Anerkennung zu bekommen?

Und außerdem nehme ich ihm das nicht ab. Der will doch auch Anerkennung für sein Predigen bekommen. Oder ein Publikum, das ihm zuhört. Oder vielleicht hofft er auch, auf diese Weise sich Patienten angeln zu können.

Dies sind Gedanken, die ausschließlich eine Funktion haben: Das Salz fad zu machen und das Licht zu verdunkeln.

Denn – wo kämen wir hin, wenn wir wirklich versuchten, im Lichte Gottes zu gehen?

Ja – wo kämen wir da hin?

Kurt Marti drückt es so aus:

Wo kämen wir hin,

wenn jeder sagte,

wo kämen wir hin

und keiner ginge,

um zu sehen,

wohin wir kämen,

wenn wir gingen. (Kurt Marti)

Jesaja sagt: „Auf, lasst uns im Licht Gottes gehen.“ Wohin wir dann kämen? Vielleicht würden wir dann ein bisschen salziger werden, auch ein bisschen erleuchteter. Vielleicht würden wir sogar ein bisschen „erlöster“ ausschauen.

Vielleicht auch nicht.

Rauskriegen tun wir das erst, wenn wir uns auf den Weg machen, anstatt zu sagen: „Ja, wo kämen wir denn hin!“ Mag sein, dass wir nicht gleich im „Licht Gottes“ gehen. Aber ich meine, dem „Licht Gottes“ kämen wir allemal ein großes Stück näher! AMEN.

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