Predigt zum Ostermorgen in der Jakobuskirche in Pullach (16.04.2017)

Liebe Gemeinde,

die Auferstehung von Jesus Christus ist eine einzige Katastrophe.

Nichts ist mehr, wie es war.

Dementsprechend endet die gute Nachricht, das Evangelium des ältesten Evangelisten (Markus) mit folgendem Statement:

„Und sie (die Frauen) gingen hinaus und flohen vor dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemand etwas, denn sie fürchteten sich.“

Was war da wohl so ängstigend?

Christ ist erstanden!

Das ist doch eine Jubelbotschaft!

Jubilate deo!

„Tod wo ist dein Stachel, Hölle, wo ist dein Sieg?“

… denn sie fürchteten sich!“

Sollten wir Angst vor dem Leben haben?

Sollten wir Angst vor der Lebendigkeit des Lebens haben?

Sollte es so sein, dass es viel beruhigender, sicherer ist, den Toten in seiner Grabhöhle zu balsamieren – als den horror vacui, als das Entsetzen des Nichts zu erleben und zu erleiden: „Was sucht Ihr den Lebendigen bei den Toten? Er ist nicht hier!?“

Hier ist – Nichts!

Lass die Toten die Toten begraben“, hatte er gesagt. „Du aber folge mir nach.“

Und: „Wer sein Leben behalten will, der wird es verlieren. Wer es aber verliert um meinetwillen, der wird es erhalten!“

Was nützte es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und doch Schaden nähme an seiner Seele!“

Dunkle Sätze. Wäre es da nicht besser, beruhigender, er wäre tot. Tot geblieben?

Für mich hat das heutige Osterfeuer in ganz persönlicher Weise mit Tod zu tun. In ihm werden etliche der Hölzer verbrannt, die zu Beginn der 80er hier hinter dem Altar standen. Drei nackte, harte Holzkreuze. Ich hatte mich damals sehr leidenschaftlich für diese Kreuze eingesetzt. Sie waren für mich das unbequeme Mahnmal dafür, dass Jesus Christus als Verbrecher hingerichtet worden ist. Sie waren Ausdruck meiner Empörung. Über so Vieles, was ich in meinem Leben und auf der Welt als ungerecht empfand. Und natürlich brachte ich darin auch meine jugendliche Abneigung gegen jegliche Form von „Herrschaft, Macht und Establishment“ unter.

Und heute wurden sie, die Balken auch meines Denkens, wurde sie (die Empörung) dem Osterfeuer übergeben. Sie verbrennen. Und das ist gut so.

Im Leben lässt sich nichts festhalten. Nicht einmal das Leben selbst lässt sich festhalten. Wer sein Leben behalten will, der wird es verlieren. Das einzige, woran ich festhalten kann, ist meine eigene Täuschung über die Wirklichkeit.

So ist es auch eine Verführung, Jesus Christus als den neuen Anker, den neuen Fest-Halter zu benutzen.

Was sucht Ihr den Lebendigen bei den Toten? ER ist nicht hier!“

Jesus Christus lässt sich auch nicht finden in historischen Nachweisen oder gar Beweisen.

Jesus Christus lässt sich finden im Fließen des Lebens selbst.

Als ich des Suchens müde ward, erlernte ich das Finden …“

Indem ich damit aufhöre, Gott verzweifelt zu suchen .. erst da öffnet sich eine neue Möglichkeit: nämlich die, mich von Gott finden zu lassen …“

Mich von Gott finden lassen, heißt nicht: ab jetzt wird alles gut. Heißt nicht: es gibt keine Schmerzen mehr, keine Krankheiten, keinen Tod.

Mich von Gott finden lassen heißt für mich:

meinem so und nicht anders verlaufenen Leben ein tiefes „Einverstandensein“, ein „Ja, in Gottes Namen, so war es … so ist es “ mit zu geben.

In diesem „Ja, in Gottes Namen“ verbrennen die Kreuze meiner Empörung, meines Haderns, meines Nicht-Einverstanden-Seins.

Und darin wächst meine Kraft, Leben hinzunehmen. Zu ertragen.

Und darin wächst die Kraft des mich Hingebens. Mich überlassen an mein Leben, so wie es (geworden) ist und wie es ist und wie es geschehen wird. Mit Angst und Zittern. Mit der Klage: „Herr, lass diesen Kelch an mir vorüber gehen!“ Und doch: „dein Wille geschehe!“

Und daraus erwächst die Kraft, mein Leben, das Leben zu lieben: in seiner Endlichkeit, Vergänglichkeit, Schmerzlichkeit, Ungerechtigkeit.

Und ganz am Ende schimmert eine Hoffnung, vielleicht bei allen Zweifeln selbst liebenswert zu sein. Liebenswert heißt nicht: toll sein. Oder berühmt sein. Oder vorne dran sein. Nichts dergleichen.

Liebenswert-Sein – da schwingt mit: schon in Ordnung zu sein. Oder: gut genug sein. Vielleicht auch: recht sein.

Dass es keinen Grund gibt, ausgeschlossen zu werden.

Die Welt hat versucht, diesen merkwürdigen Jesus aus Nazareth auszuschließen. Er, seine Rede, seine Predigt, seine Person waren unerwünscht.

Vor Gott ist die Welt damit nicht durchgekommen.

Vor Gott und von Gott her heißt es: „Siehe, das ist mein Sohn!“ Wenn ihr euch für mich interessiert, dann wendet euch an ihn. Hört und merkt euch, was er gesagt und getan hat.

Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten? Er ist nicht hier.“

Der Auferstandene ist immer da, wo die Liebe keimt.

Es ist so erstaunlich: könnte ich glauben, liebenswert zu sein, könnte ich glauben, von dem lebendigen Gott geliebt zu werden – dann würde diese Liebe natürlich auch auf meine Mitmenschen ausstrahlen. Und mehr noch: auf meine Mit-Tiere, Mit-Pflanzen, auf alles um mich herum.

Dann erstrahlt das Leben in einem neuen Licht. Nichts ist mehr selbstverständlich: alles wird zu einem Geschenk. Sei es nachher der erste Schluck Kaffee, oder das Osterei, oder der Osterschinken.

Und dann wäre und bliebe der Andere auch irgendwo liebenswert. Auch wenn ich mich gerade so sehr über ihn ärgern muss.

Daran wird jedermann erkennen, dass Ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.“

Das hat er auch gesagt, dieser merkwürdige Mensch aus Nazareth.

Dessen Botschaft bis heute nicht tot zu kriegen ist.

Von dem es heißt: „Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten? Er ist nicht hier!“ AMEN.

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