Dr. Lothar Malkwitz

2. Sonntag nach Epiphanias 2012

Predigt über 1 Kor. 2,1-10 am 2. Sonntag n. Epiphanias (15.1.2012) in der Petruskriche
Von Lothar Malkwitz
Gott zur Ehre

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen, AMEN.

Liebe Gemeinde,

da gibt es heute diese poetische Evangeliumslesung, die berühmte Geschichte der Hochzeit zu Kanaan. Ein bisschen märchenhaft ist sie, wie da der junge Jesus fast widerwillig den Wunsch seiner Mutter erfüllt und Wasser zu Wein verwandelt. Und sie hat etwas Strahlendes, ein junger Held scheint geboren, begabt mit übernatürlichen Kräften. Man darf auf ihn gespannt sein!

Und da gibt es heute einen Predigttext, aus der Feder des Paulus stammend, dessen erster Teil nüchtern und spröde sich darstellt: nicht um Heldentum, nicht um Wunder, nicht um strahlendes Wissen geht es, sondern: „allein Jesus Christus, der Gekreuzigte“ ist das Zentrum.

Hören Sie selbst: „Auch ich, liebe Brüder, als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten und hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu verkündigen. Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten. Und ich war bei euch in Schwachheit und Furcht und mit großem Zittern; und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten menschlicher Weisheit, sonder in Erweisung des Geistes und der Kraft, damit euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft.“ (1. Kor, 2,1-5 – der erste Teil unseres Predigttextes)

„Jesus Christus allein, der Gekreuzigte“! Und schon wieder derselbe Widerspruch: Christus, griechisch Christos, der Gesalbte, hebräisch Messias – der ersehnte Erlöser, Retter der Welt. Und der Gekreuzigte, der als Verbrecher Hingerichtete, der Outlaw, der Gotteslästerer.
Wie soll man das zusammen bringen?

Nun – eine Art des Zusammenbringens bestand und besteht darin, das Kreuz zu vergolden – und es dann als Schmuckstück auszustellen oder gar sich umzuhängen. Doch Vorsicht: es ist das Gold des Galgens, das da glänzt!

Eine andere Art des Zusammenbringens war und ist es, das Leiden zu verherrlichen: sich opfern als Weg zur Erlösung, sich selbst geißeln und quälen. Und dies alles verbunden mit der Vorstellung eines grausamen Vater-Gottes, dem es eine „Genugtuung“ (satisfactio) ist, wenn sich sein eigener Sohn opfert.

Beide Arten des Zusammenbringens sind nicht integrativ: sie kippen auf eine Seite, entweder auf die Seite der triumphalen Erhöhung oder auf die Seite der niedergeschlagenen Bedrückung. Zur Zeit Martin Luthers hatte die ihm bekannte Kirche starke Schlagseite in Richtung „vergolden“. Mit seiner theologia crucis wollte er dies korrigieren, die Kirche reformieren. Leider hat es historisch zu einer weiteren Abspaltung und bis heute nicht zu einer guten ökumenischen Integration geführt.

Ich möchte mit Ihnen heute versuchen, ein paar Gedanken zu einer wirklichen Integration von Leiden und Erlösung, von Opfer und Befreiung, von Kreuz und Auferstehung zu entwickeln.

Ich beginne mit der persönlichen Stellungnahme des Paulus: „…ich war bei euch in Schwachheit und Furcht und mit großem Zittern.“ Was Paulus hier ausdrückt ist ein uns allen wohl bekanntes Gefühl: Angst!  Es ist zugleich ein Gefühl, das sich einzugestehen schwer fällt, besonders uns Männern. Und am Schlimmsten ist, Angst zu haben und nicht zu wissen, wovor. Die namenlose, atmosphärische,  nicht fassbare Angst. Und so haben wir Menschen viele schlaue Strategien entwickelt, Angst zu „binden“. Ein für mich immer wieder beeindruckendes Bild gebundener Angst sind die Dämonen im Eingangsbereich romanischer Kirchen. Indem sie hier einen Platz bekommen, können sie nicht mehr frei und nebelhaft durch den Raum schweben. Eine andere Art der Angstbindung ist die medizinische Diagnose: wenn ich nur weiß, was mir fehlt, dann scheint es schon nicht mehr ganz so schlimm zu sein. Leider ist das mit den Ängsten unserer Seele nicht so einfach; die „Dämonen im Inneren“ sind nicht so leicht in Stein zu hauen. Unsere nächtlichen Träume, falls wir es wagen sie ernst zu nehmen, sind ein Führer unserer Ängste und eine starke Möglichkeit ihrer Linderung. Denn alles, was ich träumen kann, ist schon einmal durch einen ersten Filter des Verstehens gelaufen, hat seine ungehemmte, unkontrollierte Gewalt verloren.

Zurück zu Paulus: er macht eine unerwartete Verbindung zwischen seiner Angst und dem Sinn und Zweck seiner Botschaft: „… mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten menschlicher Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft, damit euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft.“ Die Angst verbunden mit Schwachheit und Zittern musste Paulus ertragen, indem er nicht versuchte zu überreden! Gottes Kraft bedarf keiner Überredungskünste! Gottes Kraft wirkt aus sich selbst heraus, wenn wir sie bloß wirken ließen. Denn es ist unsere Angst, die uns davon  abhält, unseren Körper, unsere Seele, unseren Geist dem göttlichen Wirken „wirklich und wirksam“ zur Verfügung zu stellen. Es ist unsere Angst, die uns hindert, uns mit unseren nächtlichen Träumen wirklich und wirksam auseinander zu setzen. Dann müssen wir uns nämlich darauf einlassen, nicht zu wissen, was da alles so heraus kommt! Es ist unsere Angst, die uns dazu führt, die Dinge „in den Griff kriegen zu wollen“: „Denn die Juden fordern Zeichen, und die Griechen fragen nach Weisheit, wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit.“ (V. 22-23)

Der gekreuzigte Christus eignet sich nicht dafür, etwas „in den Griff zu kriegen“. Gleichviel ob man Kreuze vergoldet oder aber Asche auf sein Haupt streut: beides entspringt der Idee des „Machens“ – der gekreuzigte Christus aber entzieht sich allem menschlichen Machen. In diesem Entzug entspricht der gekreuzigte Christus der Predigt Jesu vom Reiche Gottes: auch dieses entzieht sich menschlicher Machbarkeit; es geschieht, es wächst, wie die Saat auf dem Acker, wie das Senfkorn, es entwickelt sich, wie guter Wein …
Und in diesem Entzug wird die Predigt vom Gekreuzigten Christus zur Torheit vor der Welt des Machen und der Machbarkeit, und zur Weisheit in der Welt des Reiches Gottes.

Davon handelt der zweite Teil unseres Predigttextes:

“Wovon wir aber reden, das ist dennoch Weisheit bei den Vollkommenen; nicht eine Weisheit dieser Welt, auch nicht der Herrscher dieser Welt, die zunichte werden. Sondern wir reden Gottes Weisheit, die in einem Geheimnis verborgen ist, die Gott vorherbestimmt hat vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit, die keiner von den Herrschern dieser Welt erkannt hat: denn wenn sie die erkannt hätten, so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt. Sondern es ist gekommen, wie geschrieben steht (Jesaja 64,3):
’Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.’
Uns aber hat es Gott offenbart durch seinen Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit.“ (V. 6-10)

In diesem Übergang wandeln sich die Gedanken des Paulus, verwandeln, zwar nicht Wasser zu Wein, aber doch menschliche Weisheit zu göttlicher Weisheit, zur „Weisheit der Vollkommenen“. Die Vollkommenen (teleios), das sind (wörtlich) die am Ziel Angekommenen. Das klingt sehr hoch und ist missbrauchbar für Überheblichkeit. Aber die teleioi, das sind im Griechischen auch ganz einfach die Erwachsenen. Dann geht es um die „Weisheit“ derer, die es wagen, „erwachsen“ zu werden. Und dieses Erwachsen-Werden ist nichts anderes als sich zu öffnen für jenen Geist, der in der Welt des „die Dinge in den Griff Kriegens“ nicht zu finden ist. Das ist die Welt des Machens, der Macher und der Macht. In ihr findet sich nicht, was Gott bereit hält für die, die ihn lieben. Und das ist gut so!

Und der gekreuzigte Christus ist die „Verwandlungsstelle“, ist das Bild, in dem das Denken der Welt an sein Ende kommt („Das Gesetz ist erfüllt.“) und gerade so die Keimzelle eines neuen, von der Gnade herkommenden Denkens geboren wird. Das ist der tiefere Grund für das heutige Evangelium: es geht nicht um irgend etwas Magisches, es geht um eine Verwandlung unseres Denkens.

Es ist die wandelnde Kraft der Liebe, die zu wirklicher Integration befähigt. Aus ihrer Kraft heraus wird das Kreuz verwandelt: es ist nicht länger der Galgen des Verbrechers, es wird zur Weg-Kreuzung, an der sich die Geister scheiden. Mit Christus, dem Gekreuzigten, ist nichts zu „machen“, nichts „in den Griff zu kriegen“, nichts zu erreichen. Mit Christus dem Gekreuzigten kann man auch keinen Staat machen. Christus der Gekreuzigte macht nichts her! Das ist es. Und so schützt er davor, sich selber zu wichtig zu nehmen, sich auf sich selbst (oder auf die eigene Predigt) zu viel einzubilden. Indem wir Christus den Gekreuzigten in uns wohnen lassen, in uns hineinbilden, brauchen wir uns freilich auch nicht zu wundern, dass wir nicht der Magnet der Massen sind. Dass unsre Botschaft nicht so wahnsinnig attraktiv ist. Bei „Deutschland sucht den Superstar“ brauchen wir mit unserem gekreuzigten Christus jedenfalls nicht anzutreten. (Gott behüte, ich würde es freilich auch gar nicht wollen!)

Mit Christus dem Gekreuzigten kommen völlig neue Gedanken auf die Welt: Gott selbst offenbart sich in seinem Sohn auch als ein verletzbarer und verletzlicher Mensch, fragil und zerstörbar, leidend und mitleidend. Gott verwandelt sich in Christus dem Gekreuzigten: er nimmt die Verachtung, die Einsamkeit, die Schmerzen seiner Kreaturen in sich selbst hinein. Und zwar so, dass er zunächst selbst die Ohnmacht erträgt, die zu ertragen ist, im Angesicht des Grauens, der Kriege, der Ungerechtigkeiten auf dieser unserer Erde. Auch die Ohnmacht, die zu ertragen ist, wenn ich mich nicht verstanden fühle oder nicht verständlich machen kann. Auch die Ohnmacht, wenn ich krank werde, Schmerzen erleiden muss und so fort…

Zunächst sage ich, ist die Ohnmacht zu ertragen: weil unser Denken und Erleben und dann auch unser Handeln nicht bei dem Gekreuzigten stehen bleiben darf. Christus ist der Gekreuzigte, der Messias ist der Gekreuzigte. Will sagen, zur Messias-Werdung gehört das (Er-)Tragen des eigenen Kreuzes: „Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach!“ (Mk 8,34) Und in diesem Prozess geschieht die (Ver-)Wandlung, in diesem Prozess verwandelt sich das schwere Kreuz zu einem Früchte tragenden Lebensbaum. „Mein Joch ist sanft.“

Es gibt eine wunderschöne chassidische Geschichte, die in ihrer Weise Christus den Gekreuzigten predigt, vielleicht besser, als ich das mit vielen Sätzen kann. So höre ich jetzt auf, um ihnen die Geschichte zu erzählen, die ich ein wenig ausgeschmückt habe. Sie lautet:

Am Tag der Zerstörung

„Man fragte Rabbi Pinchas: ‚Warum soll, wie uns überliefert ist, der Messias am Jahrestag der Zerstörung des Tempels geboren werden?’

‚Das Korn’, sprach er, ‚das in die Erde gesät ist, muss zerfallen, damit die neue Ähre sprieße. Die Kraft, die in dem Korn ruht, kann nicht wachsen, kann sich nicht entwickeln, wenn sie nicht in die große Verborgenheit eingeht. Die feste Struktur des Kornes muss sich lösen, damit Neues entstehen kann. Diese Lösung geschieht in der Leere, im Durchschreiten der Dunkelheit des Nichts.

In der Schale des Vergessens wächst die Macht des Gedächtnisses.

Die Macht des Gedächtnisses ist das Gedenken daran, wer du wirklich bist, und was du wirklich zu tun hast auf dieser Welt. Dies ist die Macht deiner Erlösung. Die Macht deines Gedächtnisses führt dich zu deinem eigenen Selbst. Zu dem, der du wirklich vor Gott bist. So löst sie dich von deinen alten Illusionen darüber, wer du glaubtest zu sein, oder wer du meintest, für andere sein zu müssen. Oder was dir von anderen eingeredet wurde, wer du seiest. Wenn du dich traust, dich für Gott zerstören zu lassen, wird Gott in dir geboren.

Am Tag der Zerstörung, da liegt die Macht Gottes auf dem Grunde und beginnt zu wachsen. Darum sitzen wir an diesem Tag am Boden, darum gehen wir an diesem Tag auf die Gräber, darum wird an diesem Tag der Messias geboren. Wohl dem, der sich traut, sich von Gott zu Gott hin zerstören zu lassen.’“

Und jetzt wird auch verständlich, inwiefern die Predigt von Christus, dem Gekreuzigten, unbedingt zur Weihnachtsbotschaft dazugehört. Das Herz von
Weihnachten ist ja nichts anderes als die Geburt des Messias, „wo die Macht Gottes auf dem Grunde liegt …“                                                          AMEN.

Und die Liebe Gottes, die höher ist als all unser menschliches Verstehen, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus AMEN.

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Fürbittengebet zum 10. Sonntag nach Trinitatis 2004

Fürbitten zum Gottesdienst am 10. Sonntag nach Trinitatis 2004

Geheimnisvoller, barmherziger Gott,

dich zu entdecken heißt sich selbst loszulassen,
dein Licht leuchten lassen heißt, durch die eigene Finsternis gehen,
deine Wahrheit erleben heißt, sich von den eigenen vertrauten Illusionen zu verabschieden,
deine Liebe leben heißt, sich dem Fremden, Unbekanntem freundlich zuzuwenden.
Bitte schenke uns immer wieder die Kraft, diesen Weg ins Unbekannte zu wagen.

Wir bitten dich für all die Menschen, die nicht in Frieden leben können – und gedenken heute besonders den immer neuen Ausschreitungen in Israel:
Gib allen beteiligten Menschen die Kraft, erlittenenes Unrecht zu vergeben;
es scheint so schwer zu sein, die Teufelsspirale von Hass und Gewalt zu durchbrechen – und dennoch:
Wir brauchen deine Kraft gegen die Resignation, gegen unser Sich-Einrichten in der traurigen Sicherheit, dass ja GottseiDank bei uns alles in Ordnung sei.

Wir bitten dich für uns, die wir jetzt gerade um Frieden beten: lass uns nicht glauben, damit seien wir auf der richtigen Seite, wir hätten es gefunden. Suchende sind wir, wie alle.

Stärke unser Vertrauen auf die nicht sichtbaren Dinge, lass uns Schüler sein derer, die im Vertrauen auf Dich ihre eigenen Ängste mildern konnten.

Stärke unsere Fähigkeit, in Beziehung zu leben und in Beziehung zu bleiben –
In Beziehung zu dir und zu unseren Mitmenschen.

Wir fassen alle unsere Wünsche und Sorgen zusammen in das Gebet, das unser Bruder Jesus uns lehrte:

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Fürbitten 4. Sonntag nach Trinitatis 2004

Fürbitten zum 4. Sonntag nach Trinitatis 2004

 

Heiliger Gott,

 

wir danken Dir für das Erlebte, für die Gemeinschaft miteinander

und Du mitten unter uns!

 

Wir bitten Dich:

Dass in der vor uns liegenden Woche deine Kraft uns begleiten möge,

Deine Geduld unsere Unsicherheiten und Zweifel trägt,

Dein Mitgefühl unseren Schmerz lindert,

Deine Freundlichkeit unseren Ärger zähmt,

Deine Wahrheit unsere Verwirrungen erhellt,

Deine Liebe unseren Hass verwandelt.

 

Wir bitten Dich um das Erleben deiner klaren und stärkenden Gegenwart in unserem Alltag, in unserer Familie, in unserem Beruf,

wir bitten dich um deine sättigende Nähe,

wenn wir uns einsam fühlen, bedürftig und hungrig.

 

Wir bitten dich für unsere Mitmenschen:

Möge sich deine Freundlichkeit ausbreiten auf diese Welt,

möge sich Gerechtigkeit und Demokratie mit der Kraft der Liebe durchsetzen,

möge Frieden einziehen in die Häuser der Menschen. AMEN.

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Fürbittengebet am 3. Advent 2011

Fürbittengebet zum dritten Advent

Adventlicher Gott,

wir wollen dir den Weg bereiten:
dir, in dem die ganze Wahrheit unseres Lebens Raum gewinnen darf,
dir, vor dem wir uns nicht zu verstecken brauchen,
dir, der du die Barmherzigkeit bist und die Wahrhaftigkeit.

Adventlicher Gott,

lass uns Arme sein, den Hirten gleich,
lass uns Suchende sein, wie die Magier aus dem Morgenland,
lass uns Empfangende sein, wie Maria.

Adventlicher Gott,

du willst Mensch werden, einer von uns.
Nicht nur einer von uns:

Du willst Mensch werden, in uns.
Möge deine Wahrhaftigkeit,
möge deine Barmherzigkeit in uns leuchten,
möge sie von uns ausstrahlen und andere Menschen entflammen,
dir zur Freude, uns zum Frieden, AMEN.

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Predigt am 3. Advent 2011

Predigt am 3. Advent 2011 über Römer 15, 4-13 in der Jakobuskirche Pullach
Pfr. Dr. Lothar Malkwitz

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen, AMEN.

Liebe Gemeinde,

diese Predigt, die ich Ihnen heute halten möchte, ist weitgehend eine Kinderpredigt. Sie ist geschrieben für alle die Kinder, die von früh an das Gefühl hatten, dass „irgend etwas nicht stimmt“. Und die dieses Gefühl immer wieder verworfen haben, weil Ihnen von allen Seiten, und besonders natürlich von den Großen, die es ja eigentlich wissen müssen, eingeredet worden ist, dass schon alles in Ordnung sei. Kinder haben ein sehr feines Gespür dafür, dass etwas nicht stimmt. Und suchen natürlich nach Anhaltspunkten für ihr Gefühl. Wenn ihnen dann gesagt wird, „nein, nein, das bildest du dir bloß ein“, sind sie verwirrt. Hinzu kommt, dass oft (jedenfalls bei uns) die materielle Versorgung funktioniert. Nicht die materielle Nahrung ist das Problem, sondern die emotionale. Schlimmer noch: oft wird die materielle Nahrung dafür verwendet, das Kind zu betäuben. Dass es unter keinen Umständen spürt, was es „nüchtern und unbetäubt“ zu spüren gäbe: dass man gar nicht so willkommen ist, wie einem immer vorgemacht wird; dass man vielleicht sogar falsch ist, weil man nicht der ersehnte Junge, das ersehnte Mädchen ist. Dass man vielleicht als Klotz am Bein der Eltern erlebt wird, weil man eine Karrierebremse ist. Je nach Charakter und Möglichkeiten formen sich hieraus die sogenannten bösen und die sogenannten braven Kinder. Den braven Kindern gelingt es super, sich an die Erwartungen und Ansprüche, die an sie gerichtet sind, anzupassen, sie zu erfüllen. Als Erwachsene leben sie davon, gut zu sein, Karriere zu machen, Status zu bekommen. Solange dies gelingt, haben sie keine Probleme. Die bösen Kinder heißen heute schwierige Kinder, haben ADS, bekommen Medikamente zur Ruhigstellung; als Erwachsene tun sich mit allem, was ihnen entgegenkommt, schwer, leben stark davon, nicht zu funktionieren, sich zu verweigern.

Ich vermute, dass wir hier, in der Kirche, eher eine Gemeinschaft der ehemals braven Kinder sind.

Aber wir sollten die ehemals braven und die ehemals bösen Kinder nicht auseinander dividieren: das ist nämlich auch so eine Erwachseneneigenart, zu bewerten: und brav heißt dann, du machst mir keine Probleme und böse heißt, immer habe ich Scherereien mit dir. Sie merken: die Beurteilung in brav und böse ist ausgesprochen egozentrisch. Die Bequemlichkeit meines Egos steht im Zentrum. Oder anders ausgedrückt: je mehr mein ICH darauf angewiesen ist, dass der andere so funktioniert, wie ICH ihn brauche, desto mehr muss ich die Wirklichkeit aufteilen in eine für mich erträgliche und eine für mich unerträgliche. Und wiederhole damit das in meiner Kindheit erlebte: wo die Großen mir vorgelebt haben, was alles an mir unerträglich ist: nämlich anders zu sein als erwünscht.

Liebe Gemeinde,

vielleicht denken Sie sich jetzt: „Themaverfehlung“: diese Einleitung passt doch nicht zu einer Predigt. Wo bleibt die Verkündigung des Evangeliums? Missbraucht da ein Therapeut die Kanzel? Hier soll das Evangelium verkündigt werden, dass Gott in Christus Mensch geworden ist und in Christus uns erlöst hat! Bei mir ist es so: ich kann nur ein Evangelium verkündigen, das mir einleuchtet. Bei dem ich etwas spüre. Das für mich alltäglich stimmt. Das alltagstauglich ist. Deshalb diese Einleitung. Diese Einleitung zu einem Ausschnitt aus dem Römerbrief von Paulus, der zu adventlicher Besinnung einlädt. Da er ein wenig kompliziert ist, will ich ihn Satz für Satz mit Ihnen durchgehen – und schauen, ob er Hilfestellungen anbietet und zwar sowohl für die braven, wie auch für die bösen Kinder. (In Klammern: Paulus spricht auch öfters von Kindern: nämlich von den „Kindern Gottes“, die zu denen wir durch die Taufe geworden sind.)

„… was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben.“  (Röm 15,4)

Das „zuvor Geschriebene“ sind für Paulus natürlich Schriften, die wir im Alten Testament finden.
Das „zuvor Geschriebene“ ist auch ein Hinweis darauf, dass es eine Zeit vor uns gab. Dass das Neue nicht vom Himmel fällt, sondern eingebettet ist in einem Rahmen. Einem Rahmen des Her-Kommens. Es ist gut und notwendig für ein orientiertes Leben, eine Ahnung zu haben, wo man herkommt. Die eigene Abstammung: sowohl die leibliche als auch die geistige. Das zuvor Geschriebene: Wenn man weiß, wo man herkommt, hat man es leichter zu erkennen, wer man geworden ist. Wo die Quellen des eigenen Werdegangs liegen. Und dass wir allesamt aus einer Verbindung heraus entstanden sind. Zwar Individuen seiend – gibt es uns nur in der innigen Verbindung einer Samen- und einer Eizelle. Zwar Individuen seiend sind wir von vorne herein etwas Drittes, nämlich eben diese Verbindung unseres Vaters und unserer Mutter. Wir können uns nicht selbst erschaffen. Und wir können uns auch keine anderen Eltern geben als die, die wir hatten. Die uns unser Leben schenkten.

Das „zuvor Geschriebene“ ist uns zur „Lehre“ geschrieben, sagt Paulus: wir können (könnten) lernen aus dem vielen, was Menschen „vor uns“ nieder geschrieben haben. Wir können lernen, wenn wir aushalten, dass wir weder die Welt noch uns selbst neu erfinden können – und auch nicht neu erfinden müssen. Dazu gehört freilich, dass wir uns mit Respekt dem materiellen wie geistigen Erbe unserer Mütter und Väter annähern. „Respekt“ heißt ja wörtlich übersetzt „Rück-Blick“ (re-spicere). Der Rück-Blick ist der Respekt vor dem Vergangenen, ist der Respekt vor unserem gelebten Leben, ist der Respekt vor dem Leben unserer Eltern. Der Respekt vor dem Vergangenen ist leicht, wenn ich das Vergangene wertschätzen kann: wie z.B. Felix Mendelssohn-Bartholdy, der die Musik Bachs wieder-entdeckte. Seinen tiefen Respekt vor ihm drückte er dadurch aus, dass er die Werke von Bach aufgeführt hat. Und damit erweckte er die Musik von Bach zu neuem Leben.

Schwieriger ist es natürlich, wenn man keinen wirklichen Respekt vor dem Vergangenen empfinden kann. Das uns am naheliegendste Vergangene ist die eigene Kindheit. Viele sagen: daran möchte ich nicht mehr erinnert werden. Was vorbei ist, ist vorbei. Andere klammern sich an das Schöne fest, färben Vergangenes schön. Ich kann mich noch gut erinnern, wie mir – als ich ein Kind war – mein Vater aus dem II. Weltkrieg erzählte: das klang wie ein spannender Abenteuerroman mit meinem Vater als dem Helden – und alles Elend, alle Verzweiflung waren eliminiert.

Für Paulus sind es die Schriften, die Geduld und Trost spenden – damit bezieht er sich natürlich auch auf seine eigene Vergangenheit. Paulus kann sich den „Respekt“ seiner Herkunft erhalten und sich dem Neuen, dem „Messianischen“ öffnen. Geduld ist wirklich die Fähigkeit auszuhalten, dass es nicht so ist, wie ich es mir wünsche, und dass es nicht so gewesen ist, wie ich es mir gewünscht hätte. Dass ich nicht so bin, wie ich gerne wäre, dass mein Nächster nicht so ist, wie ich ihn gerne hätte. Geduld hat damit zu tun, auszuhalten, dass „ich, du, er, sie, es“ gerade nicht so ist/sind, wie ich es brauche. Wie mein ICH meint, es zu brauchen. Geduld hat mit der Kraft zu tun, dass ich mein ICH mit seinen drängenden Wünschen irgendwie im Zaum halten kann. Dass Ich mich von meinem mich drängenden und bedrängenden ICH entfernen kann. Erst in dieser Entfernung von meinem Ich habe ich die Möglichkeit, auf mein ICH zurück-zublicken: re-spicere. Und in diesem Rückblick (Respekt) werde ich mir selbst bewusst, entsteht Selbst-Bewusstsein, das im Englischen übrigens „self-respect“ heißt. Man könnte auch sagen: Respekt entsteht dann, wenn ich mich nicht von meinen mich drängenden Impulsen hinreißen lasse. Und in diesem Respekt wird die Aufteilung in brave und böse Kinder als Täuschung entlarvt. In Wirklichkeit gibt es nur Kinder, die sind, und die leben wollen: und zum Leben brauchen sie hinreichende materielle Versorgung und hinreichende emotionale Versorgung. Und das Wichtigste an der emotionalen Versorgung ist die Wahrhaftigkeit, die Aufrichtigkeit der Erwachsenen.

Bei Paulus heißt das so: „Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, Christus Jesus gemäß, damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus. Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob! Denn ich sage euch: Christus ist ein Diener der Juden geworden um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, um die Verheißungen zu bestätigen, die den Vätern gegeben sind, die Heiden aber sollen Gott loben um der Barmherzigkeit willen…““

Die „Eintracht“, und die „Einmütigkeit“, von der Paulus hier spricht, haben keinen Selbstzweck, sondern sie dienen der Wahrhaftigkeit und der Barmherzigkeit Gottes. Eintracht entsteht dann und so, wenn wir aufhören, das Fremde, Andere, Unbekannte mit unseren (feststehenden) Urteilen abzuwerten. Christus ist nicht dafür zu verwenden, den Andersgläubigen zu beweisen, wie falsch sie liegen, sondern dafür, dass das Fremde, das Andere, das Unbekannte Raum gewinnt – angefangen bei uns selbst. Für jeden von ist Christus gestorben: das heißt, gerade da werden wir von Christus liebevoll umfangen, wo wir uns selbst so gar nicht mögen: unsere unannehmbaren, dunklen Seiten, unsere zu Kopfschmerzen erstarrten Wut-Tränen, unser Ungenügen, unser Hochmut mit dem wir unsere Versagergefühle mühsam kaschieren –  all’ dies uns selbst unannehmbar Erscheinende wird von Christus im österlichen Licht des Kreuzes verwandelt. Von jenem Christus, der nicht gekommen ist, sich dienen zu lassen, sondern zu dienen – für die Wahrhaftigkeit und die Barmherzigkeit Gottes. Mit diesem kühnen Gedanken öffnet Paulus übrigens auch die Türe für die christliche Botschaft weit hinaus über die Grenzen des Judentums. Die Wahrhaftigkeit Gottes stellt seinen Sohn in die Tradition der Verheißungen seines Volkes, die Barmherzigkeit Gottes schenkt seinen Sohn der ganzen Welt. Sein Sohn aber ist nichts anderes als das lebensspendende Wort der Liebe, das seine Geschöpfe miteinander verbindet. Und dann beschließt Paulus seine Adventspost nach einigen atl. Zitaten, die ich hier weglasse, mit dem Wunsch:

„Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des heiligen Geistes.“

Jetzt geht es nicht mehr darum, dass wir durch „zuvor Geschriebenes“ Hoffnung, Trost und Geduld bekommen, sondern der Gott der Hoffnung selbst möge uns erfüllen. Der Gott der Hoffnung kann uns aber erst erfüllen, wenn wir vorher leer geworden sind. Solange wir gefüllt sind mit unseren eigenen Sorgen und Ängsten, kann der Gott der Hoffnung sich nicht in uns ausbreiten. Solange wir uns unsere Sicherheiten selber geben, haben wir gar keinen Bedarf an Vertrauen. Erst wer es wagt, sich verunsichern zu lassen, wer es wagt, zurückzublicken auf seine Vergangenheit und sich mit ihr ehrlich aus einander zu setzen, wie es wirklich war, dem beginnen Worte wie Freude oder Frieden, oder Hoffnung oder Glauben etwas zu bedeuten. Gerade in der Weihnachtszeit stehen solche Worte in der Gefahr, als schöne Verzierung, als Deko missbraucht zu werden. Jene aber, die hungern nach Wahrheit, ihnen können diese Worte zur Nahrung werden, die aus dem Munde Gottes selbst fließt.

Die Hungrigen, das sind die, die mehr Fragen als Antworten haben, die mehr Zweifel als Wissen ihr eigen nennen, die mehr suchen und wenig gefunden haben. Die Hungrigen wollen nicht recht haben, aber sie freuen sich, wenn ihnen ein wenig Wahrheit einleuchtet. Die Hungrigen, das sind die, die Freude am Weg bereiten haben – für den HERRN. Und der HERR, den wir Christus nennen, ist immer und zugleich das unbekannte, undefinierbare, freie Wort Gottes an uns. In diesem Wort Gottes, in Christus, verbindet sich Wahrhaftigkeit mit Barmherzigkeit. Es ist wahrhaft, indem es mich wirklich wahrnimmt und erkennt in den Tiefen und Untiefen meines Seins. Es ist barmherzig, sofern es kein Interesse daran hat, mich zu verurteilen; es möchte mich vielmehr aufrichten für mein Leben, es möchte mich befreien zu meiner Lebendigkeit.

„Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat“ – lassen sie uns diesem adventlichen Aufruf des Paulus folgen, lassen sie uns dieses Wort hinaustragen aus dieser Kirche, und hineintragen in unseren Alltag. Und lassen Sie uns nicht vergessen: annehmen heißt, gerade das Schwierige und Mühsame, das „schwer Annehmbare“ bei mir selbst und bei meinen Mitmenschen liebevoll wahrzunehmen, anzuerkennen und geduldig auf die Gelegenheit zu warten, es so anzusprechen, dass es zu Herzen gehen kann, AMEN.

Und die Liebe Gottes, die unseren Verstand übersteigt, möge unser Fühlen und unser Denken bewahren in Christus Jesus, AMEN.

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Fürbitten am drittletzten Sonntag im Kirchenjahr 2011

Heiliger Gott,

deine Sphäre ist das Reich der Verbindungen,
deine Zeit ist der Atem der Gegenwart,
dein Werk ist die Halt gebende, annehmende Liebe.

Deine Liebe schenkt uns die Kraft zu leben:
Zu erleben:
Es gibt ein sich wandelndes, ein neues Jetzt,
ein jetzt gerade und jetzt erst recht,
ein jetzt, das sich nicht unterkriegen lässt,
selbst wenn die Wellen der Zweifel und der Verzweiflung sich auftürmen.

Deine Liebe ist das Jetzt unseres Leben:
Sie ist zart, wie eine kleine Berührung,
sie ist flüchtig, wie eine ziehende Wolke,
sie ist leise, wie das Säuseln des Windes in einem Baum.

Deine Liebe stillt uns.
In ihr werden wir still,
in ihr verstummen unsere Sorgen und unsere Plagen,
unsere Ängste und unsere Zweifel.

Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, jetzt ist der Tag des Heils.

Wir danken dir – heiliger Gott, AMEN.

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Predigt am drittletzten Sonntag im Kirchenjahr

Predigt am drittletzten Sonntag im Kirchenjahr in der Thomaskirche in Grünwald über Lukas 11, 14 – 23
Jesus als Therapeut    

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen, AMEN.

Liebe Gemeinde,

es sind hauptsächlich drei „Felder“, in denen Jesus aus Nazareth sich wirksam aufhielt: meditieren, predigen und heilen. Die Texte der letzten Sonntage legen den Akzent auf das letzte Feld: das des Heilens.

Jesus als Therapeut also.

Die Grundbedeutung von „therapeuein“ lautet: „Sorge tragen für den anderen“. Und der Therapeut (der „Therapon“) ist ursprünglich der „Kriegsgefährte“, der „freie Mann“, der mit seinem Herrn freiwillig in den Krieg zieht – und nicht der „Knecht“ („Doulos“) der Sklave und Abhängiger seines Herrn ist.

Therapie wird oft missverstanden als ein Geschehen, bei dem einer aktiv und einer passiv, einer frei und einer abhängig ist. Das Missverständnis beruht auf der falschen Idee, als könnte einer den anderen heilen. Dies passt besser zu einer Operation als zu einer Therapie. Aber sogar bei einer Operation ist man zu dritt: ohne den Körper des Patienten „funktioniert“ auch eine Operation nicht.

Obwohl in vielen Therapiegeschichten Jesu der Glaube des „Patienten“ in den Mittelpunkt gestellt wird, – „ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ (Markus 9,24) – ist doch die Verführung groß, den Heiler als Helden zu idealisieren: „Mir nach, spricht Christus unser Held“! (EKG 385) Darin bilden sich die hohen Wünsche an einen „Heiler“ und „Retter“, an einen „Messias“ eben ab.

Für mich ist Jesus Christus in erster Linie ein Kampfgenosse, der mit mir in den Krieg zieht: in den Krieg gegen jene Mächte, die mich lähmen, die mich blind sein lassen, die mich verstummen lassen in der Wahrnehmung des Fremden, des Anderen. Jene Mächte, die mich verführen, rechthaberisch meine Position zu verteidigen, jene Mächte, die es hassen, dass jemand anderes gute Ideen hat, etwas besser weiß und kann als ich. Es sind jene Mächte, die sich mit aller Macht gegen das Erleben des Reiches Gottes stemmen; des Reiches Gottes, das ja bekanntlich kein jenseitiges Paradies, sondern ein sehr diesseitiges Geschehen ist, in dem wir Menschen lernen, uns gegenseitig wahrzunehmen, zu achten, zu respektieren und füreinander Sorge zu tragen.

Das Reich Gottes beginnt mit der Fähigkeit, miteinander zu reden zu lernen: „Und er trieb einen bösen Geist aus, der war stumm. Und es geschah, als der Geist ausfuhr, da redete der Stumme. Und die Menge verwunderte sich.“ (Lukas 11, 14 – der Beginn unseres heutigen Predigttextes.)

Der Geist der Stummheit ist insofern ein „böser Geist“, als er Beziehung verhindert. Vor kurzem hat mir ein Patient am Ende einer intensiven Therapie-Stunde gesagt: „es ist so eine Mühe, Worte für mich zu finden. Aber die gefundenen Worte tun gut.“ Stummheit lastet wie eine schwere Grabplatte auf der Seele, belastet Leben. Gelingt es, den „bösen Geist der Stummheit“ auszutreiben, beginnt der Patient zu sprechen. Er beginnt, bekannte aber sprachlose Gefühle in Sprache zu fassen. Und so beginnt er, „geistlich“ zu wachsen, sich zu entwickeln. Er wird allmählich befreit von sprachlosem Tun-Müssen. Es gehört zum Wesen von Zwang und Gewalt, dass sie keine Sprache hat.

„Und die Menge verwunderte sich“. Die Menge, das ist die Gruppe, die das Geschehen zwischen Jesus und seinem Patienten beobachtet. Die Menge verwundert sich: es geschieht etwas Unerwartetes, nicht Vorhergesehenes: ein Stummer beginnt zu sprechen. Unerwartetes, Unvorhergesehenes, macht Gefühle, die verwirren. Gefühle, die überwältigend sein können. Um die Gewalt der Gefühle einzudämmen, entziehen wir ihnen (den Gefühlen) den Boden.

Das geht schnell und einfach: man wertet das, was überwältigende Gefühle machen würde, ab, und übergießt es mit einem Eimer aus Spott und Hohn: „Einige aber unter ihnen sprachen: er treibt die bösen Geister aus durch Beelzebul, ihren Obersten.“ (V. 15) Eine moderne Variante dieser Gehässigkeit ist die Bemerkung von Karl Kraus zur Psychoanalyse: „Psychoanalyse ist die Krankheit, die sie vorgibt zu heilen“. Indem ich etwas abwerte, erspare ich mir, mich damit ernsthaft zu beschäftigen. (Übrigens: das Wort „Beelzebul“ ist selbst ein Spottname; ursprünglich war damit der Stadtgott von Ekron im Land der Philister gemeint; Beelezebul heißt: „erhabener Fürst“, Beelzebub heißt „Herr der Fliegen“!) Mindestens genauso raffiniert ist eine andere Variante des Sich nicht Einlassens: Beweise fordern! Beweise erst einmal, dass es ein Unbewusstes gibt. Beweise erst mal, dass es mir etwas bringt, wenn ich bei dir eine Therapie mache. Beweise mir erst mal, dass es besser ist zu vertrauen als zu kontrollieren! Beweise mir erst mal, dass ich etwas davon habe, in die Kirche zu gehen!

„Andere aber versuchten ihn und forderten von ihm ein Zeichen vom Himmel. Er aber erkannte ihre Gedanken und sprach zu ihnen: Jedes Reich, das mit sich selbst uneins ist, wird verwüstet, und ein Haus fällt über das andere. Ist aber der Satan auch mit sich selbst uneins, wie kann sein Reich bestehen? Denn ihr sagt, ich treibe die bösen Geister aus durch Beelzebul. Wenn aber ich die bösen Geister durch Beelzebul austreibe, durch wen treiben eure Söhne sie aus? Darum werden sie eure Richter sein. Wenn ich aber durch Gottes Finger die bösen Geister austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen. Wenn ein Starker gewappnet seinen Palast bewacht, so bleibt, was er hat, in Frieden. Wenn aber ein Stärkerer über ihn kommt und überwindet ihn, so nimmt er ihm seine Rüstung, auf die er sich verließ, und verteilt die Beute. Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich; und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.“

„Er aber erkannte ihre Gedanken…“: das ist das Schwierigste in der Therapie ebenso wie im alltäglichen Zusammensein: zu erkennen, wozu der Andere seine Gedanken gerade verwendet. Man kann Gedanken verwenden, um zu verstehen, man kann Gedanken verwenden, um miss zu verstehen, um Verwirrung zu stiften. Der Teufel, griechisch Diabolos (der „Durcheinanderwerfer“) ist die Personifizierung des Verwirrung-Stiftens.

Verwirrung entsteht aber auch, wenn völlig Unerwartetes geschieht: dass ein Stummer lernt zu reden. Es scheint eine göttliche und eine teuflische Verwirrung zu geben. Sokrates wurde zum Tode verurteilt, weil er – so ein „Verbrechen“ – die Jugend verführe.
Sokrates – ein Verführer? Die große Frage ist: wie können wir unterscheiden, ob hinter meiner Verwirrung Gott oder der Teufel steckt? Wie können wir einigermaßen sicher sein, dass wir mit unserem Denken und unserem Tun nicht dem Teufel zuarbeiten?  Wie können wir einigermaßen sicher sein, dass unser Glaube nicht selbst eine Verführung ist?

Wir brauchen ein Intuition, der wir vertrauen können. Jesu Intuition ist es, dass die Gedanken der Menge dazu dienen, ihm eine Falle zu stellen. Die Falle wäre, ein Zeichen zu geben. Es ist dieselbe Falle, in die der Therapeut tappt, wenn er anfängt seinem Patienten zu beweisen, dass er es gut mit ihm meint, dass er ihm nur helfen will. Jesus gibt kein Zeichen – Jesus heilt über wachsendes Vertrauen: „dein Glaube hat dir geholfen“ (Matth. 9,22) Glaube, Vertrauen lässt sich nicht beweisen. Vertrauen lässt sich nur erleben – oder eben auch nicht.-

Aber das ist nicht alles: Jesus gibt auch eine Antwort auf die Unterstellung, er treibe die bösen Geister mit ihrem Obersten, mit Beelzebul aus.
Jesus weist darauf hin, wenn er die Dämonen mit Beelzebul austriebe, dann wäre das Reich des Teufels ja mit sich selbst uneins und es würde in sich selbst zerfallen. Jesus geht es aber nicht um Zerfall, sondern um Wachstum, um heilsames Wachstum. So erklärt er die Heilung des Stummen lapidar so: „Wenn ich durch Gottes Finger die bösen Geister austreibe, so ist das Reich Gottes zu euch gekommen.“ „Die Finger Gottes“: das sind die Finger der vorsichtigen Berührung, der liebevollen Umarmung – die den Anderen berühren ohne ihn gefangen zu nehmen, ohne ihn zu vereinnahmen. Nicht der drohende Zeigefinder ist heilsam, sondern die sanfte Berührung. Die auch schmerzhaft sein kann: nämlich dann, wenn der Finger auf die Wunde gelegt wird. Auch dies gehört zur Heilung dazu: das Bewusst-Werden des eigenen Verwundet-Seins. Fließen dann die Tränen, so können die Wunden allmählich ausheilen. „Selig seid ihr, die ihr hier weint, denn ihr werdet lachen…“ (Lukas 6,21). In jeder echten Berührung, sei es im Lachen, sei es im Weinen, atmet der Geist der Reiches Gottes: „… so ist das Reich Gottes zu euch gekommen.“
 
„Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, jetzt ist die Zeit des Heils!“ (2.Kor. 6,2) – dieses „Jetzt“ ist jederzeit möglich – es sind wir selbst, die es verhindern mit unserem Misstrauen und unserer Angst gegenüber der fremden Berührung. Zwischen dem Stummen und Jesus ist Reich Gottes geschehen – ganz einfach deshalb, weil jemand berühren konnte oder, was dasselbe ist, weil sich jemand hat berühren lassen.
Der Teufel berührt nicht – er verführt dazu, das Andere, den Anderen zu verteufeln. So sagt Jesus: „eure Söhne werden eure Richter sein“ (V. 19). Das heißt, ihr verteufelt nicht nur mich, sondern all jene aus euren eigenen Reihen, die sich ernsthaft bemühen, anderen zu helfen. Die Bewertung, die Verurteilung, fällt auf den Bewerter zurück: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!“ (Matth. 7,1)
Nun: wer richtet, fühlt sich stark. Wer, verurteilt, wähnt sich im Recht. Es stimmt schon: ein starkes Feindbild schafft ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl. „Wenn ein Starker gewappnet seinen Palast bewacht, so bleibt, was er hat, in Frieden.“ (V. 21) Üblicherweise bewachen wir unseren Palast über Urteile und Bewertungen: falsch, richtig, böse, gut, schön, hässlich usw. Üblicherweise bewachen wir unseren Palast mit unhinterfragten Vorstellungen: Macht ist gut, Ohnmacht schlecht; Geld haben ist gut, keines haben ist schlecht; krank sein ist schlecht, gesund sein ist gut. Gute Noten, schlechte Noten usw. …
„Wenn aber ein Stärkerer über ihn kommt und überwindet ihn, so nimmt er ihm seine Rüstung, auf die er sich verließ, und verteilt die Beute.“ (V. 22) Jesus beschreibt nichts anderes, als eine gut verlaufende Therapie. Der Stärkere, der kommt, ist die sanfte Gewalt der Liebe. Die Liebe erkennt: all diese Bewertungen und Beurteilungen sind selbstgemachte Trugbilder, die in der Tiefe nicht tragen. Wer sein Haus auf Bewertungen baut, der hat auf Sand gebaut. Nicht Bewertungen, sondern Werte geben Grund und Fundament. Werte, die aus der Wahrheit der Liebe strömen. „So ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung“ (Römer 13, 10). Vertrauen und Sorge tragen und zwar da, wo ich es gerade kann, wo ich gerade hingestellt bin. Und gerade da geschieht Reich Gottes mitten unter uns. Die Bewegung des Reiches Gottes ist eine integrative: eine Bewegung des Zusammen-Sammelns. Die Bewegung der Bewertungen ist eine Zerstreuende: das Falsche wir vom Richtigen weggenommen, Gesundheit soll mit Krankheit nichts mehr zu tun haben, kurz: das eine ist toll, das andere ist bäh.
Aber bewertet und polarisiert nicht Jesus selber, wenn er sagt: „Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich!“?
Sicher kann man dies als einen polarisierenden Satz verstehen. Wenn wir aber sagen, in Jesus Christus hat das Prinzip des heilsamen Vertrauens, der heilenden Liebe ein menschliches Antlitz bekommen, dann ist der Satz wahr. Denn man kann nicht gleichzeitig in der Liebe und im Vertauen leben und anderen Menschen die eigenen Urteile und Bewertungen überstülpen. Man kann auch nicht gleichzeitig in der Liebe und im Vertrauen leben und andere Menschen ausbeuten. Oder, ganz einfach: man kann nicht gleichzeitig verbinden und Kontakt abbrechen. Polar wird der Satz erst dann, wenn wir mit unserem „Helden“ Jesus meinen, die Nicht- oder Andersgläubigen abwerten zu dürfen. Dies ist übrigens auch nicht im Sinne Jesu, wie es wenig später heißt (Lukas 11,27f.): „Und es begab sich, als er so redete, da erhob eine Frau im Volk ihre Stimme und sprach zu ihm: ‚Selig ist der Leib, der dich getragen hat, und die Brüste, an denen du gesogen hast.’ Er aber sprach: ‚Ja, selig sind die, die das Wort Gottes hören und bewahren.“
 
Und das Wort Gottes ist nichts anderes als das Erleben dessen, was gerade Not tut: für einen selbst und für die Menschen, Tiere und Pflanzen mit denen ich gerade beisammen bin:

„Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, jetzt ist der Tag des Heils.“
 
Oder (einmal mehr) mit Meister Eckehart:
„Die wichtigste Stunde ist immer die Gegenwart.
Der wichtigste Mensch ist immer der, der dir gerade gegenübersteht.
Das notwendigste Werk ist stets die Liebe.“                                              AMEN.

Und die Liebe Gottes, die höher ist als all unser menschliches Verstehen, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus AMEN.

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Fürbittengebet am 17. Sonntag nach Trinitatis

Fürbitten am 17. Sonntag n. Tr.

Barmherziger Gott,

wir stehen hier gemeinsam vor dir, so wie wir sind:
mit unseren Ängsten, mit unseren Sorgen, mit unseren Zweifeln.
Mit unserem Misstrauen.

Mögen wir glauben, Gott, in allem Unglauben, in allem Zweifel, in aller Unsicherheit.

Mögen wir glauben, Gott, im Angesicht des Misstrauens.

Mögen wir glauben, Gott, im Gegenüber des Schweigens, des Ignoriert-und Verlacht-Werdens.

Mögen wir glauben, Gott, im Erleiden von Krankheiten und der Schmerzen unseres Altwerdens.

Mögen wir glauben, Gott, im Angesicht unserer Sünden, unseres verfehlten Lebens.

Mögen wir glauben, Gott, mit der glühenden Liebe, die allein du uns zu schenken vermagst;

Mögen wir glauben, Gott, an das, worum wir bitten mit den Worten von Jesus Christus:

Vater unser

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17. Sonntag nach Trinitatis

Predigt über Markus 9, 17- 27 am 17. Sonntag nach Trinitatis in Pullach
16.10.2011

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen, AMEN.

Liebe Gemeinde,

„unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat“. Mit diesem vollmundigen Wort aus dem ersten Johannesbrief begann unser heutiger Gottesdienst.
Können wir das auch  erleben? So dass es mehr ist, als eine Sprach-Hülse?

„Unser Glaube…“ – was ist das eigentlich?
Es scheint etwas sehr starkes zu sein, wenn es die ganze Welt überwinden kann. Und was ist das: die Welt überwinden? Die Welt scheint eine Gegenmacht zu „unser Glaube“ zu sein.
Gegen-Macht:
Was ist das Gegenteil von Glaube?
Unglaube.
Glaube und Unglaube stehen einander gegenüber.
Oder Glaube und Zweifel.
Oder Vertrauen und Misstrauen.

„Unser Vertrauen ist der Sieg, der die Welt überwunden hat …“

„Unser Vertrauen ist der Sieg über das Misstrauen…“

In Ver-Trauen ist „Treue“ versteckt: Treue verweist auf Bestand, auf Sicherheit. Im Vertrauen siegt die Sicherheit über die Unsicherheit: „in der Welt habt ihr Angst, doch siehe: ich habe die Welt überwunden.“

Im Hebräischen drückt das Verbum „aman“ (lautmalerisch: ma-ma – ham-ham) (vgl. „Amen“) „glauben“ aus. Es bedeutet auch:

„Sicher sein“, „dauerhaft beständig sein“, „zuverlässig treu sein“, „getragen werden“ (!) von einem Kinde und schließlich „glauben“ im Sinne von „vertrauen“ (pistis).

Substantiviert bedeutet es „Erzieher“, „Amme“ (Numeri 11,12!)

Vertrauen ist Ausdruck der guten, „sicheren“ inneren wie äußeren Beziehung:
Jes. 7, 9b: „Vertraut ihr nicht, so bleibt ihr nicht betreut.“ (Übersetzung M. Buber)
In der Welt des Misstrauens (M. Klein: paranoide Position) fühle ich mich verraten: Kürzlich hörte ich anlässlich des Wetterumbruchs jemand empört sagen: „Ich hasse den Herbst. Er betrügt uns um die Wärme, um den Biergarten, um das Baden gehen.“ Jemand, der dies sagt, fühlt sich „betrogen“. Er hat kein Vertrauen in den natürlichen Jahreskreislauf von Werden und Vergehen, sondern erlebt einen Betrüger, der ihm durch das schlechte Wetter „eine auswischen will“.

Die Position des Misstrauens entsteht, dass ich etwas „Gutes“ nicht mehr habe. Misstrauen hat mit Abwesenheit des Guten und Anwesenheit von Unangenehmem zu tun. Ich hörte einen alten Menschen voller Resignation sagen: „Man hat mir alles weg genommen – nur mein Appetit bleibt übrig.“ Das unbewusste Zentrum solcher Misstrauensgedanken ist ein „Gott“ der mich hasst, der sich an mir rächt, der mich quält, der ein unbarmherziges Spiel mit mir treibt. Ein Gott, wie der Hiobs.

Die Position des Misstrauens ist die eines ganz kleinen Babys, das großen Hunger hat und überzeugt davon ist, dass es besessen wird von einem Dämon, der darauf zielt, es verhungern zu lassen.

Das Vertrauen in einen gütigen und betreuenden Gott, in eine lebensspendende Quelle, die mich nährt, die Freude an meinem Wachstum hat, wächst langsam. Und es wächst durch Erfahrung. Von daher ist es viel leichter und uns näher misstrauisch zu sein als vertrauensvoll.
 
Unser heutiger Predigttext ist so eine Vertrauensgeschichte – und zwar eine solche, in der die Unauflösbarkeit von Vertrauen und Misstrauen, von Glaube und Unglaube (oder Zweifel) zum starken Ausdruck kommt. Es ist die (bekannte) Geschichte von der Heilung des an Epilepsie leidenden Jungen.

 „Einer aus der Menge sagte: ‚Meister, ich habe meinen Sohn hergebracht zu dir, der hat einen sprachlosen Geist. Und wo er ihn erwischt, reißt er ihn und er hat Schaum vor dem Mund und knirscht mit den Zähnen und wird starr. Und ich habe mit deinen Jüngern geredet, dass sie ihn austreiben sollen und sie konnten’s nicht. Er aber antwortete ihnen und sprach: O du ungläubiges Geschlecht, wie lange soll ich bei euch sein? Wie lange soll ich euch ertragen? Bringt ihn her zu mir! Und sie brachten ihn zu ihm. Und sogleich, als ihn der Geist sah, riss er ihn. Und er fiel auf die Erde, wälzte sich und hatte Schaum vor dem Mund. Und Jesus fragte seinen Vater: Wie lange ist’s, dass ihm das widerfährt? Er sprach: von Kind auf. Und oft hat er ihn ins Feuer und ins Wasser geworfen, dass er ihn umbrächte. Wenn du aber kannst, so erbarme dich unser und hilf uns! Jesus aber sprach zu ihm: Du sagst: Wenn du kannst – alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt. Sogleich schrie der Vater des Kindes: Ich glaube, hilf meinem Unglauben! Als nun Jesus sah, dass das Volk herbei lief, bedrohte er den unreinen Geist und sprach zu ihm: Du sprachloser und tauber Geist, ich gebiete dir: Fahre von ihm aus und fahre nicht mehr in ihn hinein! Da schrie er und riss ihn sehr und fuhr aus. Und der Knabe lag da wie tot, so dass die Menge sagte: Er ist tot. Jesus aber ergriff ihn bei der Hand und richtete ihn auf, und er stand auf.“

Das Beeindruckende, ja Unglaubliche an diesem Jesus aus Nazareth ist sein Eins-Sein mit einem allmächtigen Prinzip, das er „abba“, „mein Vater“ nennt. „Nichts ist unmöglich dem, der da glaubt“ – ein Jesuswort, das übrigens auf der
Hitliste der Konfirmationssprüche bei den Jungs ganz oben steht. „Nichts ist unmöglich …“ erinnern Sie sich noch an den Werbeslogan einer Automarke?

Schon ein wenig größenwahnsinnig das Ganze, oder?
Andererseits gibt es das alte Medizinermotto: „wer heilt hat, recht.“

Aber hat Jesus wirklich geheilt? Auf einer Internetseite, der es um Bibelkritik geht, findet man eine harsche Kritik an unserer Geschichte: sie wie andere würden die Missachtung psychischer Krankheiten begünstigen: Jesus zeige keinerlei Verständnis für den Jungen, stattdessen wird krank sein verbunden mit, von einem bösen Geist besessen zu sein. Von hieraus führe eine direkte Linie bis zu den Hexenprozessen. Und im übrigen sei es auch noch Scharlatanerie gewesen: denn nach einem epileptischen Anfall wäre man in der Regel symptomfrei, und wenn der nächste Anfall kommt, ist der vermeintliche Wundertäter bereits über alle Berge.

Vielleicht ist diese Kritik auf einer rein historischen Ebene berechtigt. Der kleine Satz: „und als nun Jesus sah, dass das Volk herbei lief, bedrohte er den unreinen Geist…“ könnte ein Hinweis darauf sein, dass es Jesus auch sehr um die Außenwirkung ging. Aber ist unsere Geschichte damit erledigt?

Ich  lese die Geschichte nicht in erster Linie als Heilungsgeschichte. Ich lese sie wie gesagt als Vertrauensgeschichte, als Geschichte, die davon handelt, wie heilsam Vertrauen sein kann. Und dann ist ihr Mittelpunkt auch nicht die Heilung, sondern der kurze Dialog zwischen dem Vater und Jesus:

Vater: „Wenn du aber etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns.“
Jesus: „Du sagst: wenn du aber etwas kannst – nichts ist unmöglich dem der glaubt.“
Vater: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“

Der erste Schritt zum Vertrauen ist die Anerkenntnis meines Nicht-Könnens. „Erbarme dich unser und hilf uns!“ Jemand, der meint, aus sich selbst heraus leben zu müssen, sich selbst erschaffen zu müssen, in dem kann kein Vertrauen wachsen. So jemand wird auch nie zugeben, dass er hilfsbedürftig ist. Es ist zu kränkend für ihn. Das sind die Menschen, die geben bis zum Umfallen – aber sie können nicht nehmen. Sie können nicht empfangen. Für sie gälte: nehmen ist seliger als geben. Aber das Nehmen ist mit Misstrauen vergiftet: wenn ich nehme, dann liefere ich mich ja aus, zeige ein Blöße, bin gar dem anderen noch was schuldig. „Ich werde mich für das gute Essen revanchieren“ heißt es dann. „Revanchieren“ – das heißt wörtlich: „sich rächen, Vergeltung üben.“  Also: wenn sich jemand bei Ihnen revanchieren will, denken sie dran: der will sich rächen!

Nein – im Ernst: nehmen zu können heißt, mich hingeben zu können; und Hingabe setzt Vertrauen in die Beständigkeit, in den „Halt“ der Beziehung zum Anderen voraus. Hingeben heißt mich loslassen – und dazu benötige ich Vertrauen, gehalten zu werden. Der Vater in unserer Geschichte hat anfangs dieses Vertrauen nicht. Er scheint am Ende zu sein, verzweifelt über das Leiden seines Sohnes. Ihm ist jede Hilfe recht. Es ist sich keineswegs sicher, ob Jesus helfen kann: „Wenn du aber kannst…“ – dahinter steht sein ganzer Zweifel, ob irgend jemand ihm helfen kann.

Jesus wäre nicht Jesus, würde er nicht genau darauf den Finger legen: „was heißt wenn du kannst? Es geht nicht ums Können, es geht ums Glauben: nichts ist unmöglich dem, der da glaubt!“

Das ist seine einfache Antwort.

Und damit scheint er bei dem Vater irgendwo durchgebrochen zu sein, irgend ein altes Abwehrschild scheint überflüssig geworden zu sein. Und so ruft er:
“Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“

Wie weise sind diese schlichten fünf Worte. Sie erkennen an: ein Leben ohne Unglauben, ein Leben ohne Zweifel, ein Leben ohne Misstrauen gibt es nicht.
Es geht nicht darum, das Misstrauen auszurotten, sondern es geht darum, das Vertrauen zu stärken. Je sicherer jemand im Land des Vertrauens lebt, desto weniger anfällig ist er für die Angriffe des Misstrauens. Und desto weniger muss er kontrollieren: sich selber und die anderen.

„Ich vertraue, hilf meinem Misstrauen“ – das ist der Sieg unseres Vertrauens über die Welt. Nicht mehr – aber auch nicht weniger.
Und wenn mir jemand sagt, er habe den vollkommenen Glauben gefunden, er kenne keinen Zweifel, dann werde ich sehr misstrauisch. Glaube ohne Zweifel – wie soll das gehen? Ebenso misstrauisch werde ich allerdings auch bei den notorischen Nur-Zweiflern. Mir scheint, dass beide, die „Nur-Gläubigen“ wie die „Nur-Zweifler“ etwas zerrissen haben, was zusammengehört: Glaube und Unglaube. Gerade diese Zusammengehörigkeit schützt vor Überheblichkeit: sowohl des Gläubigen als auch des Ungläubigen.
 
Von dieser Zusammengehörigkeit erzählt auch eine chassidische Geschichte, die ich Ihnen abschließend erzählen möchte:

Eine chassidische Geschichte: „Ich glaube“

„Rabbi Noach hörte einst von seiner Kammer aus, wie im dranstoßenden Lehrhaus einer seiner Treuen die Glaubenssätze zu sprechen begann, dann aber, sogleich nach den Worten: „Ich glaube in vollkommenen Glauben“ abbrach und sich zuflüsterte: „Das versteh ich nicht!“ und nochmals: „Das versteh’ ich nicht!“ Der Zaddik trat aus der Kammer ins Lehrhaus. „Was ist es, das du nicht verstehst?“ fragte er. „Ich verstehe nicht, was das für ein Ding ist“, antwortete der Mann. „Ich sage: ich glaube. Glaube ich wirklich, wie geht es dann zu, dass ich sündige? Glaube ich aber nicht wirklich, warum sage ich dann eine Lüge her?“ „Es heißt“ sagte Rabbi Noach, „der Spruch ‚ich glaube’ sei ein Gebet. ‚Ich möge glauben’, das bedeutet er.“ Da glühte der Chassid auf. „So ist es recht“, schrie er, „so ist es recht! Möge ich glauben, Herr der Welt! Möge ich glauben!“ (M. Buber, Die Erzählungen der Chassidim, S. 626)

Mögen wir glauben Herr der Welt, AMEN.

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Fürbittengebet 16. Sonntag nach Trinitatis 2011

Fürbitten am 16. Sonntag n. Tr.

Barmherziger Gott,

immer wieder verstecken sich Teile von uns vor dem Leben.
Sie sind liegen geblieben oder haben sich zurückgezogen:
in selbstgemauerten Grabhöhlen.

In uns hinterlassen sie Gefühle von Sinnlosigkeit und Anstrengung.

Wir bitten dich, Gott des Lebens:

Wecke uns auf, lass uns wach sein und wach bleiben.

Und wenn die Ängste kommen, so stärke unser Vertrauen:
Schenke uns Sicherheit, die sich dir zuwendet,
und nicht unseren selbstgemachten Götzen und Illusionen.

Schenke uns die Klarheit, den Unterschied zu erkennen,
zwischen der Kraft wirklichen Lebens und der Schalheit eingebildeten, selbst hergestellten Lebens.

Und verwandle unsere Worte in Botschaften, die vom Leben künden: in Demut, Liebe und Respekt vor der Andersartigkeit des anderen.

Verwandle unsere Worte in Botschaften die künden: „Das von dir geschenkte Leben ist wertvoll und schön!“

Gelassen und heiter, in der Freiheit der Kinder Gottes beten wir mit den Worten von Jesus Christus:

Vater unser

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16. Sonntag nach Trinitatis

Predigt am 16. Sonntag nach Trinitatis in der Thomaskirche Grünwald (9.10.11)
 Klagelieder 3,21-32

«… inquietum est cor nostrum …»

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen, AMEN.

Liebe Gemeinde,

es ist Herbst geworden.

Herbst ist die Jahreszeit des Erntens. Und des Abschied-Nehmens. Und des Anerkennens: es ist so, wie es ist. Je älter das Jahr wird, je älter der Mensch wird, desto kleiner wird der Spielraum für Neues – und desto größer wird das, was nun Mal so ist, wie es ist. „Gelebtes Jahr – gelebtes Leben.“ Oder auch ungelebtes Jahr – ungelebtes Leben. Es ändert nichts. Es ist, wie es ist.

Es gibt Menschen, die den Herbst nicht mögen. Der Herbst erinnere sie an die Vergänglichkeit des Lebens. Kürzlich hörte ich anlässlich des Wetterumbruchs jemand empört sagen: „Ich hasse den Herbst. Er betrügt uns um die Wärme, um den Biergarten, um das Baden gehen.“ Der Herbst ein Betrüger? Haben wir den Sommer gekauft mit einer Zusatzgarantie für Biergarten, Baden und Sonne? Vor kurzem hörte ich einen Friseur-Slogan: „Lassen Sie sich Ihre Haare färben. Ihre grauen Haare betrügen Sie um ihre Jugend!“ Meine grauen Haare betrügen mich? Ich denke, meine grauen Haare sagen mir, dass ich alt werde. Und der Herbst sagt mir, dass der Sommer vorbei ist. Was ist eigentlich so schlimm daran? Dass wir an unser Sterben-Werden erinnert werden?

Und was ist so schlimm daran, dass wir wieder vergehen? „Von Erde bist du genommen, zur Erde kehrst du zurück.“ Das ist der Lauf des Lebendigen. Nur Unlebendiges ist dauerhafter. Nicht dauerhaft: sogar Sterne haben ihre Lebenszeit, brennen aus, vergehen. So werde auch ich kleiner Mensch mit meinem kleinen Ich verschwinden, vergehen. Irgendwann wird der Strom meines Lebens, in dem ich schwimme, in das große Meer münden. Und mein Ich wird sich auflösen – hinein sich lösend in die große Ganzheit des Seins oder auch des Nichts.

Und derweilen lebe ich. Derweilen leben wir.

Unser heutiger Predigttext – aus dem kleinen Buch alttestamentlichen Buch „Klagelieder“ –  handelt von einem guten Leben im Angesicht des Vergehens, im Angesicht der Vergänglichkeit, auch im Angesicht des Leides:

Dieses lasse ins Herz ich mir kehren,
um des willen harre ich:
‚SEINE Hulden, dass sie nicht dahin sind,
dass sein Erbarmen nicht endet’
Neu ists an jedem Morgen,
groß ist deine Treue,
‚Mein Anteil ist ER’, spricht meine Seele,
‚um des willen harre ich sein.’
Gut ist er zu denen, die ihn erhoffen,
zu der Seele, die ihn sucht,
gut ists, wenn still einer harrt
auf SEINE Befreiung.
Gut ists dem Mann,
wenn in seiner Jugend er ein Joch trug,
Er sitze einsam und still,
wenn Er es ihm auferlegt, –
er halte seinen Mund in den Staub hin:
‚Vielleicht west eine Hoffnung!’
Er halte seine Wange hin, der ihn schlagt,
er sättige sich an der Schmach.
Denn mein Herr verwirft nicht für immer,
denn betrübt er, erbarmt er sich
nach der Größe seiner Huld,
denn nicht aus Herzenslust demütigt er
und betrübt seine Menschensöhne. (Übersetzung von M. Buber)

„Dies lasse ich ins Herz mir kehren“, so übersetzt M. Buber. Luther sagt: „Dies nehme ich mir zu Herzen…“ „Ins Herz mir kehren“, da steckt die „Kehre“ (Heidegger), die „Wende“, die Umkehr drin. Eine Umkehr, die ich nicht aktiv machen kann, die ich mir nur in mein Herz hinein kehren lassen kann, so wie ich mir etwas zu Herzen nehmen kann ohne Garantie, dass ich es auch immer befolgen werden können.

„Um des willen harre ich“ – „harren“, ein altes, fast ausgestorbenes deutsches Verb (geläufiger ist beharren, ausharren) – es klingt nach Zähigkeit, nach Ausdauer, nach nicht aufgeben.

Was ist „das“ – was ich mir zu Herzen nehme, das, was mich zäh werden lässt?

‚SEINE Hulden, dass sie nicht dahin sind,
dass sein Erbarmen nicht endet’
Neu ists an jedem Morgen,
groß ist deine Treue.“

Am Morgen – da kommen wir aus dem Dunkel der Nacht unseres Unbewussten. Mal wohlig ausgeschlafen, mal müde und zermürbt. Mal eben verwehende Traumbilder erinnernd, mal mit dem Gefühl, aus dem Nichts zu kommen.

Jeden Morgen aufs Neue wachen wir auf.

Und jeden Morgen aufs Neue können wir erleben: ER ist nicht verschwunden, „seine Hulden und sein Erbarmen endet nicht.“ Seine Hulden, Luther übersetzt: „Die Güte des Herrn ists, dass wir nicht gar aus sind; seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende“ –
ER ist nicht verschwunden, ER ist uns „hold“. Er ist kein Unhold, kein Alb; und selbst die Albträume der Nacht lösen sich im Licht des Morgens:

– „die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern…“

Aber was – wenn wir das Licht des Morgens nicht sehen können? Wenn wir aufwachen, als hätten wir nicht geschlafen. Wenn wir uns am Morgen so bleiern müde fühlen, dass wir keine Kraft finden aufzustehen? Aber was –  wenn wir uns in der depressiven Höhle des Lazarus befinden und keiner da ist, der uns heraus ruft?

Wenn dies ist, dann hat der Tod(estrieb) über das Leben, über den Lebenstrieb gesiegt.

Die große Frage ist das allererste „Lasse…“ in unserem Text: lasse ich Gottes Güte ins Herz mir kehren? Lasse ich es zu, dass mein Herz sich zu IHM kehrt? Schon am Morgen? Wenn es noch düster ist, wenn ich mich noch müde, nicht bereit für den Tag fühle?

Lasse ich es zu, dass seine „Hulden“ und seine „Barmherzigkeit“ von mir Besitz ergreifen?

Es gibt Menschen, die sagen: „Ich würde ja gerne, aber ich kann nicht.“ Ich kann nicht aufstehen. Ich kann mich nicht freuen. Um mich herum ist alles grau. Solche Menschen tragen viel „Tod“ in sich. Es kann der reale Tod von nahen Angehörigen in der Kindheit gewesen sein. Es kann auch das Sich-Verlassen-Fühlen von guten, liebevollen Bezugspersonen („Objekten“) sein. Oder das gar nicht erst Erleben von liebevoller, freundlicher, „barmherziger“ Zuwendung. Oder sie erlebten als Babys eine „tote Mutter“ (A. Green), eine Mutter, die ih-rerseits voller Melancholie und Tod gewesen ist. So dass sie schon als Baby keine lebendige, lebensspendende Milch tranken, sondern die „schwarze Milch der Frühe“, wie Paul Celan in seiner Todesfuge ergreifend gedichtet hat. Das Problem ist, dass Babys wenig Schutz gegenüber dem haben, was in sie „hinein-kommt“. Und das Problem ist, dass „Güte“, „Barmherzigkeit“ zunächst nur leere Worte sind. Auch das Wort „Gott“ gehört dazu. Um diese Wörter mit Leben füllen zu können, bedarf es eines Er-Lebens.

Wenn ich wenig „Gutes“ in meinem Leben erleben konnte, wie soll ich da auf einmal etwas mit der „Güte Gottes“ anfangen können? Und wenn ich umgeben von hartherzigen Menschen aufgewachsen bin – wie soll ich da an „Barmherzigkeit“ glauben? Wenn ich mich verkauft und verraten gefühlt habe – wie soll ich da mit „Gottes Treue“ etwas anfangen können?

Auf diese Fragen gibt unser Text keine Antwort, und ich weiß auch keine – außer der: „Gut ist er zu denen, die ihn erhoffen, zu der Seele, die ihn sucht. Gut ists, wenn still einer harrt auf SEINE Befreiung.“

„… quia fecisti nos ad te et inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te.“ (denn geschaffen hast du uns zu dir und solange ist  unruhig  unser Herz bis es in dir ruht) Augustinus, Confessiones I,1.

Um „auf Gott hoffen“, „um Gott suchen“ zu können, um diesen Satz erleben zu können, bedarf es eines Beziehungsdenkens. „…geschaffen hast du uns zu dir…“ Ist die Beziehung zum Anderen/zu Gott vergiftet oder gar zerstört, ist auch das Denken in Beziehung vergiftet oder zerstört. An seiner Stelle ist ein „Einsamkeits-Denken“ entstanden: „Ich muss mich selbst und alleine durchs Leben schlagen. Es ist keiner da, der mir hilft.“ Die andere Seite desselben Denkens lautet: „ich musste mir auch alles selbst aufbauen; warum soll ich davon abgeben, warum teilen mit anderen?“ Der gegenwärtig oft beklagte geizig-habgierige Egoismus unserer Gesellschaft ist so gesehen Ausdruck eines einsa-men, sich vom Anderen im Stich gelassen fühlenden Ichs.

„Gut ists, wenn still einer harrt auf SEINE Befreiung.“
“ – „SEINE“ – das ist die zu erleidende Befreiung, das ist die Befreiung, die ich mir selbst nicht geben, nicht machen kann, auf die ich nur harren kann.

Gut ists dem Mann,
wenn in seiner Jugend er ein Joch trug,
Er sitze einsam und still,
wenn Er es ihm auferlegt, –
er halte seinen Mund in den Staub hin:
‚Vielleicht west eine Hoffnung!’
Er halte seine Wange hin, der ihn schlagt,
er sättige sich an der Schmach.“

Ich weiß schon: das klingt hart, und sehr missverständlich. (Vielleicht ist es des-halb „offiziell“ aus dem heutigen Predigttext weggelassen worden.) Das klingt so, als ginge es um einen Lobpreis der Qual und des Leidens.

Ich verstehe es anders: wer schon in jungen Jahren gelernt hat, ein Joch zu tra-gen, der kommt leichter durchs Leben, der ist weniger gefährdet, nur als Erfüllungsgehilfe dafür zu leben, seine Lüste zu befriedigen. Wer gelernt hat, ein Joch zu tragen, der hat gelernt, dass Leben nicht bedeutet, möglichst oft das zu machen, worauf ich gerade Lust („Bock“) habe. „Sinn“, „Bedeutung“, „Zufriedenheit“ entsteht nicht und kann nicht entstehen in der Hetze von einem Lust-Event zum Nächsten. In der Hetze mache ich mich zum Sklaven meiner Lüste. Die versklavte Seele versucht ihre Verzweiflung zu vertuschen: „Man gönnt sich ja sonst nichts“.

Die zufriedene Seele sagt: „Dankbar empfange ich mein Leben von dir und mein Joch nehme ich mit Freuden an – bin ich doch deiner nirgends so gewiss, als da, wo ich sicher bin, dass es nicht nach meinem Willen geht.“

Und so wird in allem Schweren, in größter Verzweiflung aufs Neue Hoffnung geboren, und so geschieht, was unfassbar scheint:
Der tote Lazarus verlässt seine Sterbehöhle.

„Denn mein Herr verwirft nicht für immer, denn betrübt er, erbarmt er sich nach der Größe seiner Huld, denn nicht aus Herzenslust demütigt er und betrübt die Menschensöhne.“

Mein Herr verwirft nicht für immer – nur so lange, wie ich in meine Einsam-keitshöhle mich zurück ziehen muss, aus Angst vor dem Leben „draußen“, vor dem Leben in „Freiheit“. Solange erlebe ich mich von Gott verworfen, solange spielt Gott in meinem Leben keine Rolle: ich mich selbst immun gemacht – auch und gerade immun gegenüber dem Erleben von Nähe, Wärme und Geborgenheit. In der Kälte kann ich Gottes Barmherzigkeit nicht spüren.

Im selben Augenblick, in dem mich zu Gott hin öffne, erlebe ich nichts als „Erbarmen“.

„Mir ist Erbarmen wiederfahren – Erbarmen, dessen ich nicht wert.“

Gott geschieht – in dem Augenblick, in dem meine Seele es wagt, sich aus ihrer eingekapselten Einsamkeit zu lösen; es wagt sich zu öffnen, in dem Augenblick, in dem meine Seele erlebt: „ich bin ein Teil Gottes“, oder, was auf dasselbe hinausläuft, „ich bin ein Teil des Lebens“  – bekommt sie auch schon Anteil an ihm. In diesem Augenblick ist „der Stein weggewälzt“: sei es der vom Grab Jesu, sei es der vor der Höhle des Lazarus. 

Die depressive Seele ist die teilnahmslos gewordene Seele – sie kann keinen Anteil am Leben nehmen, sie kann nicht teilen – verzweifelt setzt sie sich selbst absolut. So versucht sie der Vergänglichkeit zu trotzen. Und gerade so verliert sie ihre Lebendigkeit.

Denn Lebendigkeit bedeutet Vergänglichkeit – nur Unlebendiges ist (scheinbar) ewig. So treibt die verzweifelt-trotzige Weigerung, das Vergehen des Lebens anzuerkennen, geradewegs in den Tod – in den Tod der eigenen Seele.

Liebe Gemeinde,

es ist Herbst geworden. Keiner von uns weiß, wie viele Jahreszeiten er auf dieser Erde noch erleben darf oder auch muss. Keiner von uns weiß, welche Leiden, welche Schmerzen ihm noch bevorstehen. Keiner von uns weiß, von welchen geliebten Menschen (und Tieren) er noch wird Abschied nehmen müssen.

Nur eines ist gewiss, so gewiss, wie es ist, dass wir sterben werden:

„Seine Hulden sind nicht dahin, sein Erbarmen endet nicht!“

Gebe Gott, dass wir in unseren Ängsten und Schmerzen, in unseren Unsicherheiten und Zweifeln sein Erbarmen spüren können, ein Erbarmen, das uns nährt, uns sichert und uns beruhigt:
denn unruhig ist mein Herz, bis es Ruhe findet in dir, barmherziger Gott,
                                                                                                                  AMEN.

Und die Liebe Gottes, die höher ist als all unser menschliches Verstehen, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus AMEN.

 

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Fürbitten zum 13. Sonntag n. Tr.

Barmherziger Gott,

du bist die Liebe; wer in der Liebe bleibt, der bleibt in dir und du in ihm.

Wir bitten dich:

Dass unsere Kraft zu lieben zunehme, je älter wir werden
Dass unsere Freude am Leben wachse, je schwächer wir werden.
Dass unsere Weisheit sich weite, je weniger wir von der Welt und den neuen Techniken verstehen.

Wir bitten dich:

Dass wir erschrecken, wenn wir Recht haben wollen.
Dass wir uns halten, wenn wir zornig sind.
Dass wir uns zurück nehmen, wenn wir auf den anderen einreden.

Wir bitten dich:

Dass wir in jedem Augenblick aufmerksam sind: für uns selbst und für das, wo wir gerade sind.

Dass wir merken, wenn wir uns über andere erheben oder wenn wir Andere über uns stellen.

Dass unser Glaube in der Tiefe getragen ist von der Liebe.

Wir beten gemeinsam mit den Worten deines Sohnes:

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13. Sonntag nach Trinitatis

Predigt über Markus 3, 31-35 am 13. Sonntag nach Trinitatis in Pullach
18.09.2011

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen, AMEN.

Liebe Gemeinde,

seit alters wird der Begriff „Brüderlichkeit“ dafür verwendet, um trennende Grenzen zu übergehen. „Brüderlichkeit“ soll auf eine innere, eine seelische Verwandtschaft zwischen Menschen verweisen, jenseits von Religions- und Volkszugehörigkeit, jenseits von Hautfarbe und Geschlecht, jenseits von arm und reich. Brüderlichkeit steht auch für Würde, für Gleichheit, für Gleichwertigkeit.
„Freiheit“, „Gleichheit“, „Brüderlichkeit“: das waren die Schlüsselworte der franz. Revolution.
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen sich zueinander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen“, so heißt es im zweiten Artikel der Menschenrechte der Vereinten Nationen. „Alle Menschen werden Brüder“, dichtet Friedrich Schiller in seiner „Ode an die Freude“.

„Und willst du nicht mein Bruder sein, so schlag’ ich dir den Schädel ein“ – das war ein vulgärer Reim zur sogenannten „Brüderlichkeit“ in der franz. Revolution. Und die erste Bruder-Geschichte der Bibel handelt davon: Kain erschlägt seinen Bruder Abel!

Und wer mit Geschwistern aufgewachsen ist, weiß: Brüderlichkeit, Geschwisterlichkeit muss keineswegs Ausdruck ungetrübter Harmonie sein.

Im heutigen Predigttext begegnen wir – wie so häufig – einem provozierenden, brüskierenden Jesus, der seine eigenen Verwandten, ja seine eigene Mutter öffentlich bloßstellt.

„Und es kamen seine Mutter und seine Brüder und standen draußen, schickten zu ihm und ließen ihn rufen. Und das Volk saß um ihn. Und sie sprachen zu ihm: ‚Siehe, deine Mutter und deine Brüder und deine Schwestern draußen fragen nach dir.’ Und er antwortete ihnen und sprach: ‚Wer ist meine Mutter und meine Brüder?’ Und er sah ringsum auf die, die um ihn im Kreise saßen, und sprach: ‚Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.’

Nun hat man sich schon immer mit dieser Geschichte schwer getan. Sie passt so gar nicht in das Bild eines die Liebe predigenden Messias. Und wenn man sich schwer tut, muss ein Sündenbock her, auf den das Schwere dann abgewälzt werden kann. So hat man gesagt: Jesus meinte gar nicht seine eigene Familie, er meinte die jüdische Synagoge.

Eine verhängnisvolle Missdeutung der Geschichte!

Wir wissen natürlich nicht mehr, ob sich diese Geschichte wirklich so zugetragen hat. Kann sein, kann auch nicht sein. Immerhin heißt es wenige Verse vorher von der Familie Jesu: „Sie aber wollten ihn festhalten; denn sie sprachen: Er ist von Sinnen!“ (3,22)

Nun: für uns ist es leicht, diesen Jesus zu bewundern. Aber stellen Sie sich doch einmal vor, dieser Jesus wäre Ihr Sohn. Und Sie spüren, wie er provoziert, wie er die Mächtigen gegen sich aufbringt. Wie er sich selbst in Gefahr bringt! Würden Sie das aushalten? Oder würden Sie nicht auch versuchen, ihn davor zu bewahren, dass er seinen Weg weiter geht?

„Er ist von Sinnen!“ Vielleicht ein verzweifelter Versuch, ihn zu entschuldigen. „Seid nicht böse auf ihn, ihr braucht ihn nicht so ernst zu nehmen – er ist  – verrückt!“

Für mich ist Jesus einer, der etwas ver-rückt. Der Dinge anders hin-rückt, als man sie geläufigerweise sieht. Der scheinbar Selbstverständliches in Frage stellt.

„Und es kamen seine Mutter und seine Brüder und standen draußen.“

Wenn einer etwas anders hinrückt, als ich gewohnt bin es zu sehen, fühle ich mich draußen. Es ist mir unverständlich. „Seine Mutter und seine Brüder“ (in alten Handschriften heißt es bereits hier und seine Schwestern) – das ist seine Herkunftsfamilie: Heißt: der Kreis der Menschen, innerhalb dessen er aufgewachsen ist, zu sprechen und zu denken gelernt hat. Sie standen draußen: er hat sich über sie hinaus entwickelt, sich von ihnen entfernt.
Das ist für die „Zurückgebliebenen“ schmerzhaft und es ist nur zu verständlich, ihn zurückhaben zu wollen.

Es ist andererseits das Schicksal des Eltern-Seins, miterleben und –erleiden zu müssen, dass sich die eigenen Kinder über einen selbst „hinaus“ entwickeln. Waren in meiner Kindheit und Jugend die Beatles, die Stones, die sich entwickelnde Pop-Musik Ausdruck des Draußen-Seins der Eltern (und was wurden sie bekämpft und abgewertet) – so ist es heute Face-Book, PC-Spiele, überhaupt die Computerwelt. Halten die „Zurückbleibenden“ den Schmerz des Draußen-Seins nicht aus, werten sie entweder das „Neue“ ab. Oder sie versuchen, um jeden Preis dazu zu gehören, was für Kinder und Jugendliche oftmals sehr peinlich ist, wenn sich z.B. ihre Eltern so kleiden wie sie oder ihre Sprache verweden, oder gar heimlich versuchen, in ihren Tagebüchern zu lesen.
 
Dabei ist es für die seelisch gesunde Entwicklung so wichtig, ein geschütztes „Innen“ erleben zu können. Ein „Innen“, in dem ich mich sicher fühle. Ein Innen, das Fenster und Türen hat, wo ich bestimme, wem ich mich öffne und wem ich mich verschließe. Erlebe ich mein eige-nes Innen als gefährdet, ja als besetzt von den Anderen, bin ich auf der Flucht. Vor den anderen und vor mir selbst. Suche verzweifelt Orte seelischen Rückzuges. Wo mich keiner finden kann. Wo ich mich selbst nicht mehr finden kann. Um dableiben zu können, bedarf es sicherer Innen-Räume. Je unsicherer ich mich in der Beziehung mit Menschen fühle, desto stärker werde ich mich äußerlich und innerlich vor ihnen zurückziehen.
 
Die „draußen“ Gebliebenen versuchen dann umso mehr, den, der da „drinnen“ ist, zu erreichen. So werden immer mehr zu Verfolgern, versuchen in ihn „einzudringen“. Sie „ließen ihn rufen“, heißt es. Es wird nicht genannt, wozu. Er soll wohl zu ihnen „hinaus“ gehen. Er soll bei ihnen sein, sich nicht soweit von ihnen weg entwickeln. „Er ist von Sinnen!“

Nun – vielleicht war Jesus von Sinnen. Vielleicht musste er von Sinnen sein, um seine Gedanken von der Gegenwart des Reiches Gottes in sich entfalten lassen zu können. Vielleicht bedarf es ein bestimmtes „von Sinnen sein“ – um neue, eigene Wege entdecken und beschreiten zu können. Die Vertreter des „vertrauten Denkens“, Jesu Familie, versucht, ihn zurück zu bekommen. Sie wollen ihn bei sich haben und halten. Und Jesus: wie geht er damit um?
 
„Wer ist meine Mutter und meine Brüder?“ Und er sah ringsum auf die, die um ihn im Kreise saßen.

Jesus hält dem Drängen seiner Familie stand. Er hätte auch abbrechen und hinausgehen können. Er hätte zurückkehren können, reumütig, schuldbewusst. Oder auch genervt – die schon wieder, was wollen sie denn?

Nichts von dem. Er lässt sich gar nicht darauf ein. Im Gegenteil: er distanziert sich mit seiner Frage ausdrücklich von seiner Herkunftsfamilie. So bleibt er sich selbst treu und definiert Familie neu:

„Denn, wer Gottes Wille tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.“

Das sind die, die im Kreis um ihn herum sitzen. Im Kreis sitzen ist ein Ausdruck ehrlichen, gleichwertigen Miteinander-Redens. Es gibt kein oben und unten, keine höher- und niederwertigen Plätze, keine Diktatur des rechten Winkels. Es gibt keinen Streit darüber, wer „zur Rechten des Messias“ (Mt. 20,21) sitzen darf. Das Zentrum des Kreises ist der Messias selbst, nicht als Machthaber, auf den zu blicken ist, sondern als Prediger und Anwalt der Liebe.
Was heißt das?
 
Im Reich Gottes sitzt man im Kreis. Und das Zentrum des Kreises ist das Dritte:  Gottes Wil-len zu tun. Dieses „Gottes Willen tun“ ist der „Machthaber“ im Reiche Gottes – und niemand und nichts anderes. Und Jesus sollte für uns Christen das Sprachrohr dieses Willen Gottes sein, so sehr, dass wir in ihm etwas von Gott selbst, seine Offenbarung entdecken. Aber nicht so sehr, dass wir damit andere Religionen mit anderen „Sprachrohren des Willens Gottes“ bekämpfen. Es geht nicht darum, wer den Willen Gottes verkündet, es geht darum, was der Wille Gottes ist und es geht darum, ihn auch zu tun.
 
Das den „Willen Gottes Tun“ ins Zentrum setzen bedeutet, aufhören, dies und jenes zu tun. Den Willen Gottes Tun ist zunächst einmal ein Nicht-Tun. Ist zunächst einmal ein Akt der Reinigung: üblicherweise sitzen nämlich in unserem Zentrum eine Fülle von hausgemachten Gedanken. Erst in der Leere lässt sich Gott erfahren, in der Fülle ist kein Platz für ihn. Dies berührt sich mit einem Gedanken von Laotse:

„Dreißig Speichen umringen die Nabe, doch erst durch das Nichts in der Mitte kann man sie verwenden; man formt Ton zu einem Gefäß, doch erst durch das Nichts im Innern kann man es benutzen; man macht Fenster und Türen für das Haus, doch erst durch ihr Nichts in den Öffnungen erhält das Haus einen Sinn.
Somit entsteht der Gewinn durch das, was da ist, erst durch das, was nicht da ist“ (Tao Te King 11)

So ist es auch mit dem Tun von Gottes Willen: erst in der Vernichtung des eigenen Wollens geschieht das „sein Wille, der Wille Gottes geschehe.“

Dieses Geschehen der Vernichtung ist nur möglich in Liebe. In jener Liebe, die alles erträgt, alles glaubt, alles hofft, alles duldet. In jener Liebe, die allein die Kraft hat, den Anderen loszulassen, und in dem Loslassen Ja zu ihm zu sagen.

Es ist einfach, zu meinem Partner, meinem Sohn, meiner Tochter ja zu sagen, wenn sie mir eine Freude machen. Die Nagelprobe der echten Liebe, das „den Willen Gottes Tun“ beginnt da, Ja zu ihnen zu sagen, wenn sie mir keine Freude machen. Wenn sie genau das nicht tun, was ich für richtig halte. Oder genau das tun, was ich nicht möchte. Oder, auf mich selbst bezogen: es ist einfach, mich des Lebens zu freuen, wenn ich gesund bin, keine Schmerzen habe, mein Körper funktioniert usw. Die Nagelprobe der Liebe beginnt da, wo ich damit konfrontiert bin, „dass es nicht so läuft, wie Ich es mir wünsche.“ Dass ich alt werde, gebrechlich, krank, dass ich sterben muss…
Der vertraute Weg, so wie wir alle zu denken gelernt haben, ist, aufzuteilen: in Schönes und Hässliches, in Gutes und Schlechtes, in Schwieriges und Einfaches, in Hohes und Tiefes, in Helles und Dunkles.

Die großen Lehrer der Menschheit haben diese Aufteilungen erkannt und gewagt, darüber hinaus zu denken. Damit haben sie große Beunruhigungen ausgelöst. Und wer beunruhigt, macht sich unbeliebt.

Es klingt so einfach, das Zentrum der Predigt Jesu: den Willen Gottes tun, das Doppelgebot der Liebe befolgen. Versuche ich aber wirklich danach zu leben, finde ich es alles andere als einfach. Viel nahe liegender ist es mir, zu bewerten, die Welt aufzuteilen in falsch und richtig, in recht und unrecht. Viel vertrauter ist es mir, die Menschen, (und besonders die, die von mir abhängig sind), mit Liebesentzug zu bestrafen, wenn sie nicht meinen Willen tun, und mit Lob und Anerkennung zu belohnen, wenn sie meinen Willen tun. Diese Art zu denken in der mein beurteilendes Ich das Zentrum ist, ist die mir vertraute. Ist mir so vertraut, weil ich von ihr herkomme: sie ist mein Vater und meine Mutter. Und ich vermute, dass ich mein Leben lang mit diesem Denken zu tun haben werde.

Und dann gibt es Jesu Predigt vom Reich Gottes, in der Jesus Christus als die Liebe das Zent-rum ist. Mein Ich weigert sich, sich mit mir hinein in diesen Kreis zu setzen. Es weigert sich, weil es sein Zentrum verlieren würde. Mein Ich ist gewohnt, selbst der „Bestimmer“ zu sein.

Und dann gibt es Worte wie diese:
„Der Weise tritt zurück,
so ist er weit voraus.
Er gibt sein Selbst auf,
so bleibt es erhalten.
Er vergisst sein Selbst,
so kann er sein Selbst finden.“ (Laotse, Tao 7)

Oder:

 „Wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen, (das ist um der Liebe willen), der wird es erhalten. Denn was hülfe es dem Menschen, wenn er die Welt gewönne und nähme an seiner Seele Schaden?“ (Mk. 8,35-36)                  

Oder:

„Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“

Ganz schön ver-rückt, oder nicht?                                                              AMEN.

Und die Liebe Gottes, die unseren Verstand übersteigt, möge unser Fühlen und unser Denken bewahren in Christus Jesus, AMEN.                                                                           

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Allgemeines Confiteor

Wieder ist eine Woche vergangen – eine Woche unseres Lebens.
Wir halten inne und blicken zurück:
Vielleicht tauchen Bilder auf, die sich in dieser Woche einprägten, vielleicht klingen noch Gesprächsfetzen nach, vielleicht bin ich unzufrieden mit manchem, was gesagt oder getan wurde, hätte lieber anders gehandelt oder geredet.
Hier und jetzt ist der Raum, freundlich von dem Gewesenen Abschied zu nehmen, sich vom Staub der Woche zu reinigen und aufrichtigen Herzens zu sprechen:
„Gott sei mir Sünder gnädig!“

Eine neue Woche liegt vor uns,
mit ihren Aufgaben, Erwartungen, Hoffnungen und Sehnsüchten,
mit ihrer Freude und ihrer Trauer, mit ihrer Schönheit und ihrer Hässlichkeit.
Noch ist uns unbekannt, wie es genau sein wird;
Sicher ist nur: auch diese Woche wird vergehen, verwehen wie ein Staubkorn im Wind.
Und nicht nur die Woche verklingt, auch unsere Zeit, unsere Jahre, unser Leben – egal, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht.
Was uns bleibt, ist die alles verwandelnde Barmherzigkeit Gottes,
die unser Herz erwärmt und uns Vertrauen schenkt,
wie Jesus vertraute trotz allem Spott und Hohn.
Gott hat sich unser erbarmt!
Darein wollen wir vertrauen, durch Christus, dem Verwandler,
Gottes Sohn, unseren Herrn AMEN.

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Fürbitten 4. Sonntag n. Trinitatis 2011

Fürbitten zum 4. Sonntag nach Trinitatis

 Barmherziger Gott,

immer wieder verwenden wir unseren Zeigefinger, um versteckt oder offen auf die Fehler unserer Mitmenschen zu deuten,

immer wieder verwenden wir unseren Verstand, um die Schwächen der Anderen aufzudecken,

immer wieder halten wir uns im Geheimen für die besseren Menschen.

Wir bitten dich: schreite ein gegen unseren Hochmut, gegen unsere Besser-Wisserei!

Einer trage des Anderen Last: Herr, wir brauchen einen starken Rücken, wir brauchen ein kräftiges Rückgrat, wir brauchen Zivilcourage.

Und wir brauchen Demut.

Herr, wir wissen: wir müssen trainieren, um unseren Rücken zu kräftigen.

Wir wissen: wir müssen uns darin üben, uns selbst nüchtern zu hinterfragen.

Aber alles in Demut.

Ohne dein Wort der Erlösung bleiben wir hart und unerlöst: uns selbst und unseren Mitmenschen gegenüber.

Barmherziger Gott, erweiche unsere Herzen und Sinne, auf dass wir demütig werden.

So wollen wir beten, wie unser Herr uns zu beten gelehrt hat:

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4. Sonntag nach Trinitatis (17.7.2011)

Predigt über 1. Mose 50, 15-21 gehalten in der Thomaskirche in Grünwald
am 4. Sonntag nach Trinitatis (17.7.2011)
Lothar Malkwitz

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen, AMEN.

„Erlösung kann zu einem Menschen nicht kommen, ehe er die Schäden seiner Seele sieht und sie zurechtzubringen unternimmt. Erlösung kann zu einem Volke nicht kommen, ehe es die Schäden seiner Seele sieht und sie zurechtzubringen unternimmt. Wer, Mensch oder Volk, der Erkenntnis seiner Mängel keinen Zutritt gewährt, zu dem hat die Erlösung keinen Zutritt. Wir werden in  dem Maße erlösbar, in dem wir uns selber sichtbar werden.“

Mit diesen Worten von Rabbi David von Lelow (gestorben 1813) überliefert von Martin Bu-ber in seinen chassidischen Geschichten, möchte ich Sie, liebe Gemeinde, einladen, sich mit mir auf den Weg zu begeben.

Sie erinnern sich: das heutige Evangelium handelte von dem bekannten Ausspruch Jesu: „Was siehst du den Splitter im Auge deines Nächsten und den Balken in deinem eigenen Au-ge siehst du nicht.“ Das „Schauen“, das Jesus hier anspricht, ist ein „Projektives“: ich „stürze“ mich auf die Fehler und Mängel der Anderen, was in jedem Fall von meinen eigenen Fehlern und Mängeln ablenkt. Tragik-Komischerweise verhält es sich oft so, dass ich genau die „Splitter“ bei Anderen bekämpfe, die ich bei mir selbst unter keinen Umständen wahrnehmen möchte. Gerade die eigenen Kinder eignen sich übrigens hervorragend dafür, das eigene Un-vermögen nicht da wahrzunehmen, wo es hingehört – nämlich bei mir selbst! – sondern es im Anderen zu zementieren. Aber natürlich geschehen Projektionen am laufenden Band, überall da, wo Beziehungen sind.

„Erlösung kann zu einem Menschen nicht kommen, ehe er die Schäden seiner Seele sieht und sie zurechtzubringen unternimmt.“  

Anders ausgedrückt: ein gelöstes, ein entspanntes Leben kann ich erst dann führen, wenn ich die Schäden meiner Seele bei mir (und nicht mehr bei anderen) sehe und sie lerne zu beheben. Das ist die andere Bewegung: ich werfe nicht mehr das, was ich bei mir nicht sehen will, nach außen, sondern nehme es in mich hinein, erkenne es als Teil meiner selbst an.

Nun ist das leichter gesagt, als getan: denn es gibt einen heftigen Widerwillen in uns Men-schen, uns mit uns selbst zu beschäftigen. Warum das so ist, weiß ich auch nicht; ich vermute, es hat damit zu tun hat, dass es ziemlich unangenehm ist, die unweigerlich vorhandenen Bal-ken im eigenen Auge kennen zu lernen.
Es geht ja schon damit an, dass wir zwar unsere Mitmenschen, unseren Nächsten sehen kön-nen, aber uns selbst, unser eigenes Antlitz nicht.

Wir sehen unser eigenes Antlitz nur mit Hilfe eines Hilfsmittels: dem Spiegel. Die Verwen-dung eines Spiegels scheint übrigens so alt wie die Menschheit selbst zu sein. Und das, was wir sehen, ist das, was der Spiegel uns zurück- wirft: re-flektiert. Wir sehen uns nur durch Re-Flexion! Ich meine das nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich: die Fähigkeit, das eigene Leben zu reflektieren, ermöglicht erst ein Sich-Auseinandersetzen mit sich selbst. Und nur wer es wagt, sich mit sich selbst auseinander zu setzen, kann die Schäden seiner Seele sehen lernen. Und da ist es doch sehr verständlich, wenn man sagt: ich will das gar nicht so genau wissen: meine Schattenseiten, meine Mängel, meine Fehler…

Aber dann ist es halt auch schwierig mit der Erlösung, mit dem Los-Lassen.
Was wir nicht erinnern können, können wir auch nicht vergessen. Es quält.

Unser heutiger Predigttext ist ein wunderschönes Beispiel dafür, wie Erlösung zu einem Men-schen, zu einer Gruppe von Menschen kommen kann. Es ist das Ende der Ihnen bekannten Josefsgeschichte. Josef hatte seine Familie, seine Brüder und seinen Vater nach Ägypten ge-holt und es hatte auch Versöhnung gegeben. Aber durch den Tod des Vaters, durch den Tod von Jakob, kamen bei den Brüdern alte Unsicherheiten und Ängste wieder auf.

„15 Als Josefs Brüder sahen, dass ihr Vater tot war, sprachen sie: ‚Wenn nun Josef uns befeh-dete und vergälte uns all das Böse, das wir ihm bereitet haben, wenn er uns es vergälte?!’ 16 Sie entboten dem Josef, ließen sagen: ‚Dein Vater hat vor seinem Tod geboten und gesagt: 17 ‚So sollt ihr zu Josef sagen: ‚Ach vergib doch die Abtrünnigkeit (das Verbrechen) deiner Brü-der und ihre Versündigung, dass sie dir Böses bereitet haben. Nun, vergib doch der Abtrün-nigkeit der Knechte des Gottes deines Vaters!’
Josef weinte als man’s zu ihm redete.
18 Auch seine Brüder selber gingen, sie fielen vor ihm nieder und sprachen:
‚Hier sind wir, da hast du uns als Knechte!’
19 Josef aber sprach zu ihnen:
‚Fürchtet euch nimmer! Bin ich denn an Gottes Statt?
20 Ihr zwar, ihr habt Böses mit mir geplant,
Gott aber hat’s umgeplant zum Guten,
um zu tun, wies heute an den Tag kommt:
ein großes Volk am Leben zu erhalten.
21 Nun aber fürchtet euch nimmer, ich selber will euch und eure Kleinen verpflegen. So trös-tete er sie und redete zu ihren Herzen.“ (1.Mose 50, 15-21; Übersetzung nach M. Buber)

Es ist oft so, dass eine Krise Gefühle der Verunsicherung und des Misstrauens hervorruft. Nach dem Tod des gemeinsamen Vaters waren alle zwölf Brüder ohne „väterliche Obhut“ – sich selbst überlassen. Dies weckte in den Brüdern, die Josef damals an die durchziehende Karawane verkauft hatten, die alten Schuldgefühle, dass ihr Verhalten ihrem jüngeren Bruder gegenüber nicht gerade rühmlich war.

Nun ist es mit Schuldgefühlen etwas Paradoxes: einerseits sind sie für den Weg der Erlösung unbedingt notwendig. Wer sich nicht schuldig fühlt, kann mit Erlösung nichts anfangen. Wer sich nicht schuldig fühlen kann, kann nicht erlöst werden. Andererseits: wer sich zu sehr schuldig fühlt, der kann auch nicht erlöst werden. Wer sich zu sehr schuldig fühlt, kann näm-lich seine Schuld nicht mehr ertragen. Er ist unter der Last seiner Schuld zusammengebro-chen. Seine Rettung ist, seine Schuldgefühle hinaus zu werfen („Vorwurf“) in die Welt: so werden die Splitter der Anderen ganz groß und wichtig.
 
In den Schuldgefühlen der Brüder entsteht die Angst: und wenn sich Josef jetzt doch an uns rächt – jetzt, wo der Vater tot ist, vielleicht hat er sich ja zu Lebzeiten des Vaters nur nicht getraut? Und wenn er uns jetzt all das Böse vergilt, was wir ihm angetan haben?

Vergeltung – wie viel Leid ist geschehen und geschieht täglich aus dem einfachen Beweg-grund der Vergeltung: dass Böses gesühnt werden muss, dass Böses mit Bösem vergolten werden soll. Das hat mit der Unerträglichkeit von Scham- und Erniedrigungsgefühlen zu tun. Es ist unser Stolz, der uns zur Vergeltung zwingen will. Wenn wir dem Rat des Paulus, ver-gelte nicht Böses mit Bösem, sondern überwinde das Böse mit Gutem, folgen wollen, müssen wir diesen Stolz überwinden und unsere Kleinheitsgefühle (nicht zurück geschlagen zu haben) aushalten. Und sicher auch den Spott all derer, für die es reine Blödheit ist, keinen Vergel-tungsschlag zu führen.

Die Brüder haben ja selbst nach dem Prinzip Vergeltung gehandelt: Josefs Verkauf an die vorbeiziehende Karawane gründete in dem Hass und dem Neid der Brüder auf seine Sonder-stellung beim Vater, von dem er ein besonders schönes Gewand bekommen hatte. Hinzu ka-men seine Träume, in denen sich seine Brüder vor ihm verneigten und die er auch noch seinen Brüdern erzählte. Man kann schon verstehen, dass es seinen Brüdern irgendwann reichte.

Und jetzt, nachdem Josef Karriere gemacht hatte, war er der Mächtige geworden, und es wäre ihm in seiner Position ein Leichtes gewesen, sich an seinen Brüdern zu rächen – genau so, wie sich seine Brüder damals an ihm rächten. Auch das gilt: dass wir am meisten Angst davor haben, das erleiden zu müssen, was wir selbst anderen zugefügt haben!

Wenn die Brüder ihrer Angst vor der Rache des Josefs unterliegen, müssen sie fliehen – oder Josef ermorden. Beides sind verzweifelte Alternativen, mit der Schuld und mit der Angst um-zugehen.
Den Brüdern gelingt ein dritter Weg. Der Weg des größten Risikos. Die Brüder wagen die Beziehung zu Josef:

„Sie entboten dem Josef, ließen sagen: ‚Dein Vater hat vor seinem Tod geboten und gesagt: 17 ‚So sollt ihr zu Josef sagen: ‚Ach vergib doch die Abtrünnigkeit (das Verbrechen) deiner Brüder und ihre Versündigung, dass sie dir Böses bereitet haben. Nun, vergib doch der Ab-trünnigkeit der Knechte des Gottes deines Vaters!’“

Die Brüder berufen sich auf die Autorität des gemeinsamen Vaters, hoffend, dass die Liebe Josefs zu seinem Vater sein Herz milde stimmt. Um auf den anderen zugehen zu können, ihm sagen zu können, ich habe dir Böses getan und jetzt bitte ich dich um Verzeihung, bedarf es eines inneren Raumes. Solange ich das Gefühl habe, mein Reue, meine Bitte um Ent-Schuldigung vernichtet mich, bleibt es hart in mir.  „Sorry seems to be the hardest word…“ – das gilt solange, bis ich einen “Raum außerhalb”, eine “dritte Dimension” entdecke. Dieser „Dritte“ ist in unserer Geschichte der gemeinsame Vater – in unserem Leben ist es unsere lebendige Beziehung zu Gott.  

„Und Josef weinte, als er dies hörte.“

Ohne Tränen geschieht keine Erlösung. In den Tränen löst sich der Schmerz des Erstarrten, der vereisten Beziehungen, in denen es nicht vorwärts und nicht rückwärts geht, wo jeder Recht haben will, wo Macht und Zwang und Schuld oft lebenslang aneinander fesseln.
 
Und dann findet die persönliche Begegnung mit Josef statt. Sie werfen sich vor ihm nieder: „Da hast du uns als Knechte!“

Das ist gefährlich. Wenn ich mich zu sehr vor dem Anderen erniedrige, muss ich ihn wieder hassen. So kann ein endloser Kreislauf aus Selbsterniedrigung und Ablehnung entstehen. Auch so geschieht keine Erlösung.

Erlösung geschieht nur da, wo Würde gewahrt bleibt oder Würde neu entsteht. Es ist die wichtigste Aufgabe der Autoritäten im Kleinen wie im Großen, dafür Sorge zu tragen, dass die Würde der ihnen Anvertrauten gewahrt bleibt.

Josefs Antwort verrät, dass er ein vorbildlicher Führer ist:
„‚Fürchtet euch nimmer! Bin ich denn an Gottes Statt?
Ihr zwar, ihr habt Böses mit mir geplant,
Gott aber hat’s umgeplant zum Guten,
um zu tun, wies heute an den Tag kommt:
ein großes Volk am Leben zu erhalten.
Nun aber fürchtet euch nimmer, ich selber will euch und eure Kleinen verpflegen. So tröstete er sie und redete zu ihren Herzen.“

„Fürchtet euch nimmer!“ – Josef weiß, wie sehr das Niederwerfen vor ihm Ausdruck von Angst ist. Ein wenig fehlt den Brüdern noch das Vertrauen in die Gutherzigkeit ihres Bruders Josef. Und dass auch Josef sich geändert hat, er kein in sich selbst verliebter Mann ist, dem es darauf an kommt, verehrt zu werden.

„Bin ich denn an Gottes Statt?“

Diese Antwort Josef ist zugleich die Antwort auf die Frage: wozu brauchen wir heute noch einen Glauben an Gott? Unser Glaube an Gott den Allmächtigen schützt  uns davor, uns selbst für allmächtig zu halten. Gerade jemand, der gesellschaftliche Verantwortung trägt, sollte seine eigenen Allmachtsfantasien durchschaut (re-flektiert) haben. So richtet er die Anderen auf. So geschieht: „Einer trage des anderen Last.“

Das ist kein Vertuschen des Geschehenen. „Ihr habt Böses mit mir geplant … Gott aber hat’s umgeplant zum Guten.“ Mit diesem Gedanken erübrigt sich das Schmieden von Racheplänen, löst sich vergangenes Unrecht auf, geschieht Erlösung: sowohl für Josef als auch für seine Brüder. Und Josef geht noch weiter: er bezieht das ganze Geschehen auf Gottes gute Planung: das ist Gottes Plan, „ein großes Volk am Leben zu erhalten.“

„Erlösung kann zu einem Menschen nicht kommen, ehe er die Schäden seiner Seele sieht und sie zurecht zubringen unternimmt. Erlösung kann zu einem Volke nicht kommen, ehe es die Schäden seiner Seele sieht und sie zurechtzubringen unternimmt.“

Das Sehen der Schäden meiner/unserer Seele erfordert viel Mut, Kraft und vor allem Vertrau-en. Vertrauen in einen barmherzigen Führer, der meine Nacktheit, mein Mich-Ausliefern nicht missbraucht. Josef ist das Vorbild eines Führers, den jede Zeit und jede Gesellschaft dringend braucht. Seine Eigenschaften sind:
–    Klarheit: das Verbrechen wird als Verbrechen benannt.
–    Einfühlungsvermögen in den anderen (Empathie): Und Josef weinte, als seine Brüder ihn um Vergebung bitten.
–    Barmherzigkeit: Nicht um Rache geht es, sondern um tragfähige Unterstützung für den, der bereit ist, die Schäden seiner Seele zu sehen. „Einer trage des Anderen Last.“
–    Demut, sich nicht an die Stelle Gottes zu setzen. Gerade so und nur so wird die erlö-sende Kraft Gottes wirksam."Demut", so sagte einmal der Baal-Schem, der Begründer der chassidischen Bewegung, "Demut bringt zur Menschenliebe und zur Gottesliebe und wer wahrhaft Demut empfindet, der kann auch den sündhaften Menschen lieben, denn er sagt sich: er ist immer noch besser als ich."

Gebe Gott, dass wir Menschen wie Josef kennen lernen dürfen. Gebe Gott, dass wir selbst unseren Mitmenschen so begegnen können, wie Josef seinen Brüdern. Gebe Gott, das wir in Klarheit, Einfühlung, Barmherzigkeit und Demut leben dürfen.  Gebe Gott, dass in uns und durch uns die Heiterkeit des Erlöst-Seins geschieht, und so Gott selbst in uns lebendig wird,  durch Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, AMEN.
Und die Liebe Gottes, die höher ist als all unser menschliches Verstehen, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus AMEN.

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Eine buddhistische Ostergeschichte

Die Begegnung – eine buddhistische Ostergeschichte

Der Mann hat die Mitte seines Lebens hinter sich. Er ist noch nicht wirklich alt, aber man sieht ihm an, dass er einen langen Weg gegangen ist. Der Mann ist allein. Sein Schritt ist fest, sein Gang aufrecht. Er scheint zu wissen, wo er hin will. Auch wenn ein Weg so recht nicht erkennbar ist. Die Landschaft ist eine Steppenlandschaft; steinig mit wenigen verdorrten Grasbüscheln. Dazwischen bräunlicher Sand.  Dem Auge stellt sich nichts in den Weg: kein Haus, kein Baum, nichts zum Sich-Festhalten.

Da sieht er ganz in der Ferne zunächst einen Punkt, dann eine Gestalt, schemenhaft erkennt er, es ist ein Mensch, ein Mann, der geradewegs auf ihn zu kommt. Irgendwie kommt er ihm bekannt vor, unendlich bekannt mit seinem langen lockigen braunen Haar, seinem eher spärlichen Bart der aus einem ausgemergelten Gesicht sprießt. Ein Gesicht, das viel Leiden gesehen, viel Schmerzen erlebt hat. An der Stirn sieht man Abdrücke, kreisrund, als hätte er einen Kranz mit Dornen getragen. Die warmen braunen Augen richten sich unverwandt auf den Mann.

 „Du bist Jesus“, sagt der Mann. „Dich habe ich mein Leben lang gesucht! Und jetzt, wo ich das Suchen aufgab, begegnest du mir!“ Jesus nickt lächelnd. „Ja, ich bin’s.“ Und schmun-zelnd fügt er hinzu: „Willst du mir nicht nachfolgen?“ Der Mann schüttelt den Kopf. „Jetzt nicht mehr“, sagt er leise. „Jetzt, wo ich weiß, wer ich bin und was ich zu tun habe“. Jesus schaut ihn unverwandt an. „Du kommst vom Berg.“ Der Mann nickt. „Ich bin dabei, nach Hause zu gehen.“  Seine Augen leuchten, als er dies sagt. Auch über das Antlitz Jesu huscht ein Strahlen.
„Endlich hast du verstanden“, sagt er.

Jetzt, wo der Mann seinem Jesus gegenüber steht, sieht er die Narben in seinem Gesicht und an seinen Händen. ‚Wie oft habe ich ihn verraten‘, denkt er sich, ‚ausgelacht, verspottet und verhöhnt‘. „Und gekreuzigt“, sagt Jesus, als hätte er seine Gedanken erraten. „Du hast dich so schuldig gefühlt. Das war unerträglich für dich. Und dann ging es wieder von vorne los. Ich musste viele Tode sterben und eben so oft auferstehen – bis wir heute uns begegnen können.“ Nach einer Pause fügt Jesus lächelnd hinzu: „Aber jetzt ist es gut!“ Der Mann nickt. „Gott sei Dank!“ Und mehr zu sich selbst murmelnd: „Ich kann es nicht fassen: ich bin wirklich frei. Deshalb muss ich dich nicht mehr töten.“

Die beiden Männer schauen einander schweigend voll Zuneigung in die Augen.
Sie haben das Gefühl, es ist alles gesagt.

„Schalom“, sagt Jesus, und er fügt hinzu: „mein Bruder“.
„Schalom mein Bruder“ erwidert der Mann.

Sie umarmen sich, küssen sich auf die Wange und gehen ihrer Wege.
Keiner schaut mehr zum anderen zurück.

Für kurze Zeit erinnern die Spuren im Sand noch an ihre Begegnung. Aber der Steppenwind hat sie schnell wieder verweht.      

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Fürbitten zu Sexagesimae

Unsichtbarer Gott,

du hast uns alles gegeben, was wir zum Leben brauchen:
deine Worte ermöglichen ein friedliches und freundliches Zusammenleben,
sie kräftigen uns für unseren Alltag
und helfen uns in unserer Schwachheit.

Bewahre uns davor, deine Worte dogmatisch zu missbrauchen:
Ein Staat lässt sich mit deinen Worten nicht machen.

Öffne unsere Herzen, dass sie deine Worte empfangen können,
die uns frei machen und lebendig.

Schenke uns den Mut, heute zu leben,
Deine Gegenwart jetzt zu erleben,
indem wir Ja sagen zu dem, wie es gerade ist,
wie wir gerade sind.

Herr, lass uns lernen, so bedingungslos Ja zu deiner Gegenwart zu sagen,
wie es Jesus uns vorgelebt hat.

Mit ihm beten wir:
Vater unser

Zur Predigt

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Gründonnerstag 2011

Predigt über Markus 14,17-26 am Gründonnerstag in der Apostelkirche Solln
Gott zur Ehre

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen, AMEN.

Liebe  Gemeinde,

„scheiden tut weh“ – dies ist eine Kinderweisheit.
Wir sind heute zusammen gekommen, um miteinander Abschied zu nehmen. „Das letzte Abendmahl“ ist das Zentrum unseres Gründonnerstag-Gottesdienstes. Es war ein Abschiedsmahl bzw. ist im nachhinein zu einem Abschiedsmahl geworden.

Das deutsche Wort „scheiden“ bedeutet „trennen, spalten“. In Abschied ist es ebenso enthalten wie in Entscheidung oder Unterscheidung. Ich muss trennen können, um zu unterscheiden. Ich muss mich von den vielen Möglichkeiten trennen können, um eine Entscheidung zu treffen. Ich muss mich auch trennen können, um Abschied nehmen zu können.

Scheiden tut weh, Abschied nehmen tut weh.

Abbruch im Hass ist viel leichter, weil schmerzloser.
Andererseits ist es gerade der Hass, der wirkliche Trennung vereitelt.
Hass befreit nicht, Hass verklebt.
Abschied im Hass ist unmöglich: wirkliches Abschied nehmen kann nur in Liebe geschehen. Nur die Liebe schenkt mir die Kraft, die Schmerzen des Abschied-Nehmens auszuhalten.

Abschied ohne Schmerzen ist nämlich ebenso unmöglich.    

Die Kraft der Liebe strömt aus der Kraft des Gedächtnisses: „Er hat ein Gedächtnis gestiftet seiner Wunder, der gnädige und barmherzige Gott.“ Dieses Psalmwort rahmt unseren Gottesdienst ein.  
 
Das letzte Abendmahl Jesu ist ein Abschiedsmahl. Indem wir es feiern wird es zum Gedächtnismahl: „Solches tut zu meinem Gedächtnis.“ Kann ich im Abschied des Reichtums gedenken, den ich erleben durfte, mischt sich in den Abschiedsschmerz meine Dankbarkeit. Im Danken denke ich an das Erlebte: so entsteht Gedächtnis. Ist der Abschied überlagert von Vorwürfen und Enttäuschungen über das Gewesene, so siegt der Hass. Statt Abschied geschieht Abbruch –: ich will gar nicht mehr daran erinnert werden, was war. Es ist zu schmerzhaft. Was ich aber nicht mehr erinnere, das kann ich auch nicht vergessen. Und so quält es mich gedankenlos im Untergrund.
 
Wenn wir die Schilderung des letzten Abendmahles Jesu in der Fassung des Markusevangeliums lesen, schlägt uns viel Hass und Verzweiflung entgegen.

17 Und am Abend kam er mit den Zwölfen. 18 Und als sie bei Tisch waren und aßen, sprach Jesus: Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch, der mit mir isst, wird mich verraten. 19 Und sie wurden traurig und fragten ihn, einer nach dem andern: Bin ich’s? 20 Er aber sprach zu ihnen: Einer von den Zwölfen, der mit mir seinen Bissen in die Schüssel taucht. 21 Der Menschensohn geht zwar hin, wie von ihm geschrieben steht; weh aber dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird! Es wäre für diesen Menschen besser, wenn er nie geboren wäre.
22 Und als sie aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach’s und gab’s ihnen und sprach: Nehmet, das ist mein Leib. 23 Und er nahm den Kelch, dankte und gab ihnen den; und sie tranken alle daraus. 24 Und sprach zu ihnen: Das ist das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird. 25 Wahrlich ich sage euch, dass ich nicht mehr trinken werde vom Gewächs des Weinstocks bis an jenen Tag, an dem ich auf neue davon trinke im Reich Gottes.

Die Atmosphäre dieses Mahles beklemmt: „Wahrlich ich sage euch, einer unter euch, der mit mir isst, wird mich verraten.“
„Sie wurden traurig“ heißt es. Milde ausgedrückt. Das angemessenere Gefühl wäre „zum Heulen und zum Verzweifeln“. Da wird ein Verdacht gesät – aber es wird nichts darüber gesagt, wer der Verräter ist. Stattdessen sagt Jesus: „Einer von den Zwölfen, der mit mir seinen Bissen in die Schüssel taucht.“ Der Verdacht betrifft also den innersten Kreis. Und dann stößt Jesus auch noch den Fluch aus: „Wehe aber dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten werden soll! Es wäre für diesen Menschen besser, er wäre nie geboren worden.“

Das ist alles andere als ein schöner Abschied. Es ist überhaupt kein Abschied. Verrat, Verdacht, Verfluchung, Verzweiflung: in diese destruktive Atmosphäre hinein stellt Markus das letzte Abendmahl Jesu.

Und in dieser düsteren Stimmung geschieht das Unverständliche, Unfassbare:

Der Messias bricht das Brot, trinkt den Wein mit allen, die da sind. Auch mit dem Verräter. Das letzte Abendmahl Jesu ist keine Gemeinschaft der Guten gegen die Bösen, der Reinen gegen die Unreinen, der Richtigen gegen die Falschen. Niemand wird ausgeschlossen. Der Messias schließt nicht aus, er erträgt, er erleidet – nicht um des Leidens willen, sondern um Gottes willen: „Abba, mein Vater, alles ist dir möglich; nimm diesen Kelch von mir; doch nicht was ich will, sondern was du willst.“ Hierin gründet der Weg Jesu zum Kreuz – und nicht in einer Verherrlichung des Märtyrertums.

Jesus nimmt die Zerstörung an und auf sich: gerade so wird er zum Messias. Hätte er Judas aus der Abendmahlsgemeinschaft ausgeschlossen, wäre er als Sohn Gottes machtvoll vom Kreuz herab gestiegen, hätte er seine tiefe Liebes-Beziehung zu „abba“, zu seinem Vater verraten. In und mit Jesus ist Gott ein radikal anderer geworden: In und mit Jesus ist Gott wahrhaft Mensch geworden: Verrat, Ohnmacht, Schmerz, Leid, Tod: dies alles ist in Gott selbst hineingekommen, dies alles hat Gott in sich hineingelassen.

Und indem es in Gott hineingekommen ist, ist es in Gott verwandelt worden: der Tod wurde zum Leben, die Torheit des Kreuzes zur Weisheit bei Gott, der Hass des Abbruchs wurde zur Liebe des Abschieds, aus einem allmächtig-perfekten Gott wurde ein leidensfähiger, ein empathischer Gott. Und es gilt anders herum: in und mit Gott ist Jesus als Mensch ein radikal anderer geworden: in und mit Gott ist Jesus wahrhaft Gott geworden, hat sich sein Leben in Gott hinein verwandelt: Treue, Sicherheit, Geduld, Toleranz, das Ertragen von Ohnmacht: dies alles hat der Mensch Jesus in sich hineingelassen. So sind sie beide aneinander gewachsen: Gott an dem Messias, der Messias an Gott – und die Frucht dieses Wachstums ist der Dritte, der Heilige Geist, das Band der Liebe zwischen Vater und Sohn. „Holz auf Jesu Schulter, von der Welt verflucht, ward zum Baum des Lebens und bringt gute Frucht.“

Und so geschieht jedes Mal, wenn wir zusammen Abendmahl feiern, diese Verwandlung zeichenhaft in uns und zwischen uns. Vorausgesetzt wir bringen den Mut auf, die Gefühle der Katastrophe auf uns zu nehmen. Wenn wir schon im Vorfeld aus der Gemeinschaft ausschließen („exkommunizieren“) kastrieren wir die Kraft des Abendmahles. Der Messias ist für alle gestorben, gerade für die sogenannten „Sünder“. Und: „Wer kann sagen: ‚Ich habe mein Herz geläutert und bin rein von meiner Sünde’?“ (Sprüche 20,9) Wer andere exkommuniziert, der schließt in der Tiefe sich selbst aus.

In der Tiefe sind es nämlich die Balken in unseren Augen, die wir bei den anderen wahrnehmen und mit denen wir nichts zu tun haben wollen. Und alles, was wir vor Gott ausschließen, ist für die verwandelnde Kraft Gottes unzugänglich. Ich verstehe und sehe die Bedeutung des Abendmahles in dem Erleben einer Quelle, die uns den Mut und die Kraft gibt, die eigenen Schattenseiten in uns hineinzunehmen. Diese „Hinein-Nahme“ befreit unseren Blick auf unsere Mitgeschöpfe, auf unsere Welt. Unser Blick klärt sich, ist nicht mehr überschattet von unseren eigenen unerträglichen, katastrophalen Gefühlen, die wir verzweifelt in der Welt, in unseren Beziehungen zur Welt untergebracht haben.

Das Abendmahl ist die Versinnbildlichung einer Kraft, die „von außen“ (extra nos) kommt, die sich im Aufnehmen auch schon verflüchtigt, sich der sinnlichen Welt sogleich wieder entzieht. Das Abendmahl gewährt uns Anteil an eine Kraft, mit der man in der Welt der Sinne nichts „machen“ kann. Ehe man es zu sich genommen hat, ist es scheinbar schon wieder verschwunden.

Und dieses Verschwinden, dieses „Nicht-Halten und Nicht-Besitzen-Können“ ist die Quelle für all jene Gefühle, die unser Leben verdunkeln: Hab-Gier: diese Wort erinnert noch an das „Haben-Wollen“; Neid auf das, was andere „haben“ – und im letzten Hass auf das Leben selbst, das sich nicht „haben“, nicht besitzen lässt. Dies alles sind die Gefühle, die in Judas personifiziert sind: auch er ist Teilnehmer am letzten Abendmahl. Und es ist ein großer Irrtum zu meinen, es gäbe eine Zeit, da würde man all diese Gefühle für immer los. Nein – unsere Aufgabe als Menschen, und als Christen-Menschen im Besonderen ist es, Tag um Tag mit diesen Gefühle zu kämpfen, sie auszuhalten und wenn möglich sie zu verwandeln. Diese Aufgabe verfehlen wir, wenn wir uns verführen lassen, die Schuld und das Schlechte bei den anderen zu suchen. Und damit unser eigenes egoistisches Tun rechtfertigen. Diese Aufgabe verfehlen wir aber auch, wenn wir wie zerknirschte Büßer unsere Tage verbringen. Gründonnerstag, Karfreitag und Ostersonntag gehören zusammen. Es ist ein einziges Geschehen. Es ist ein Geschehen der Verwandlung in Gott und der Wandlung in uns.

Ausdruck dieser Wandlung in uns ist die Auferstehung jener Kräften, die diese Welt so dringend benötigt: Fürsorge, Bewahrung, Verantwortung für das Leben und das Ertragen von Schuldgefühlen. Diese Kräfte ermöglichen es, meine egoistischen Interessen zurückzustellen gegenüber meinem sozialen Engagement im Kleinen wie im Großen. (Wobei Egoismus ja an sich nichts Schlechtes ist: er drückt nur die Panik meines Ichs davor aus, dass dieses „Ich“ das Leben nicht besitzen kann, dass dieses Ich sei es früher oder später sich von der Welt wieder verabschieden wird.)
 
Wir wollen jetzt gemeinsam das Abendmahl erleben.
Erleben ist noch einmal etwas anderes als darüber reden.
Mögen wir unser Beisammen-Sein so erleben, dass es uns stärkt: zum Denken, zum Danken, zum Sich-Freuen.

„Er hat ein Gedächtnis gestiftet seiner Wunder, der gnädige und barmherzige Gott.“ Möge sich in unserem Leben Gottes Gedächtnis einprägen, möge unser Leben zum Ausdruck von Gottes Gedächtnis werden, von seiner Gnade und Barmherzigkeit
AMEN.

Und der Friede Gottes, der unser menschliches Denken und Handeln übersteigt, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, AMEN.

Die Predigt als pdf-Datei zum Download 

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Fürbitten zum Sonntag Okuli 2011

Geheimnisvoller Gott,

 

schweigend stehen wir vor dir.

Stille umgibt uns.

Du selbst bist die Stille.

DU hast dich Elia offenbart als die Stimme verschwebenden Schweigens.

Deine Stimme kennt keinen Triumph.

Sie ist zärtlich und fein.

Sie ist leise.

So leise,  dass wir sie oft im Getriebe der Welt nicht hören.

 

Deine Stimme will heilen und verbinden.

Zerrissenes wird neu vernetzt,

Geknicktes wird aufgerichtet.

Unser Augenmerk richten wir auf dich, HERR

und beten mit den Worten unseres Bruders Jesus:

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